Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Fas Denischhe Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 13.) 221 
Aeußerung getan, daß das Zentrum seine politischen Entschließungen von 
dem Ausgang des Falles Wistuba abhängig machen würde, so erkläre ich 
auf das bestimmteste, daß ich eine solche Aeußerung nicht getan habe. Wie 
soll ich auch dazu kommen, eine solche Drohung an den einflußlosen Assessor 
Brückner zu richten! Was nun die Form anbetrifft, in der ich die Sache 
hier besprochen habe, so erkläre ich, daß ich schon bei der Lektüre des 
Stenogramms meiner Rede die Empfindung gehabt habe, daß ich in meinen 
Ausdrücken zu weit gegangen sei, und ich habe ohne jede Einwirkung eines 
Dritten den „grünen“ Assessor gestrichen. Ich nehme auch hier die erste 
Gelegenheit wahr, um das zu erklären. Mit aller Entschiedenheit muß 
ich der Behauptung widersprechen, daß ich versucht hätte. in ein richter- 
liches Verfahren einzugreifen. Es handelt sich bei meiner Vermittlung in 
Sachen Wistuba nur um ein Disziplinarverfahren. Ich bin vom dama- 
ligen Kolonialdirektor direkt aufgefordert worden, zu vermitteln und habe 
für meine Tätigkeit ein Dankschreiben des Reichskanzlers erhalten. (Hört, 
hört! im Zentrum.) Wie kann man da von Aufrichtung eines kandini- 
schen Joches, einer unerträglichen Pression und einer Nebenregierung meiner- 
seits reden! Das wird kein vernünftig denkender Mensch tun. (Lebhafter 
Beifall im Zentrum.) 
Kolonialdirektor Dernburg: Der Abg. Roeren hat mir vorgeworfen, 
daß ich auf den materiellen Inhalt seiner Rede nicht eingegangen, sondern 
daß ich auf ganz andere und fremde Dinge mich eingelassen hätte und da- 
durch die Angelegenheit von ihrem Urgrund abgelenkt hätte. Ich erinnere 
daran, daß der Abg. Roeren seine Behauptungen gestützt hat auf An- 
schuldigungen, die gegen den Beamten Kersting ausgesprochen waren, und 
die sich als absolut unbegründet ergeben haben. Auf solche unbegründeten 
Bemerkungen einzugehen, hatte ich keine Veranlassung. Herr Roeren hat 
von dem Bezirksleiter Schmidt behauptet, er hätte mit unerhörter Grausam- 
keit und unter Beeinflussung von Zeugen in schauderhafter Weise in die 
Rechtspflege eingegriffen. Von alledem hat aber Herr Roeren gar nichts 
bewiesen. Daß Herr Roeren es sagt, ist noch kein Beweis, und was ein 
Schwarzer aussagt, ist doch noch nicht Gottes reine Wahrheit. Wir können 
die Eingeborenen nicht behandeln, wie sie es wünschen, sondern wie es 
unserer Ehre und wie es der Ehre und Würde unserer Nation zukommt. 
(Zustimmung rechts.) Schmidt hat einen beweglichen Brief an mich ge- 
schrieben, worin er sagt, er hätte Herrn Roeren, der ihn in unerhörter 
Weise angegriffen, gebeten, alles, was er hier im Hause gesagt habe, außer- 
halb des Hauses zu wiederholen. Das hat Herr Roeren nicht getan, son- 
dern sich auf einen Passus in dem Stenogramm bezogen. Es steht in dem 
Stenogramm: „Nachdem Herr Schmidt ausgeschieden ist, kann kein Dis- 
ziplinarverfahren mehr gegen ihn abgehalten werden.“ Damit fällt dieser 
Fall schon weg. Es ist auch die Angelegenheit des Assessors Dietz hier 
behandelt worden. Herr Dietz ist schlecht behandelt worden, und seine 
Mutter hat mich darum gebeten, ihn zu rehabilitieren. Ich erkläre hier: 
Assessor Dietz war ein außerordentlich tüchtiger, braver und wackerer Be- 
amter, der im Dienst seines Vaterlandes und seines Kaisers in Togo ge- 
storben ist. (Beifall rechts.) Was die Mission anbetrifft, so ist die von 
errn Roeren vorgebrachte Geschichte schon sieben Jahre alt. Es handelt 
sich dabei überhaupt nur um Dienstbotengeschwätz; es sind fünf Geschichten 
von Köchen, die in dem Falle Kersting passiert sind. (Heiterkeit.) Wenn 
das weitere Material ebenso ist, so können ja sehr hübsche Geschichten zu- 
tage kommen. In der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung sind sämtliche 
Schriftstücke abgedruckt, die der Abg. Roeren nur sehr unvollkommen ver- 
lesen hat. In der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung wird erklärt, daß
	        
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