230 Nas Venische Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 15.)
bündeten Regierungen die Mittel verlangt, um unsere im bitteren Kampfe
gegen die Hottentotten fechtenden Truppen zu erhalten. Siegreich ist der
Hereroaufstand niedergeschlagen, 14000 Schwarze haben sich zur Uebergabe
gestellt und werden nun der Arbeit zugeführt, dem ersten Mittel zur kul-
turellen Entwickelung der Eingeborenen in unseren Kolonien. Es blieb
noch der Aufstand der Hottentotten; — wohl sind sie in die Berge und
Einöden zurückgedrängt, aber noch bedrohen sie unsere Truppen und An-
siedler, noch künden immer wiederkehrende Verlustlisten uns, daß Deutsch-
land dort im Kampfe steht. Jetzt gilt es den letzten Schlag zu tun, nicht
in offener Feldschlacht, sondern im schwierigsten Kleinkrieg. Der deutsche
Generalstab verlangt dafür als unbedingt notwendig im kommenden Etats-
jahr noch 8000 Mann, nachdem der Kommandeur ehrlich bemüht gewesen
ist, im Laufe der letzten Zeit die Truppenzahl von 14500 Mann auf diese
Zahl zu verringern. Die Kolonialverwaltung hat bindend erklärt, alles
zu tun, um die vom Reichstage gewünschte Heimsendung weiterer Mann-
schaften zu ermöglichen. Da kommt der oberste deutsche Kriegsrat in Ge-
stalt von Zentrumsabgeordneten, um, unterstützt von Sozialdemokraten,
Polen, Welfen und sonstigen Reichsfreunden, beraten von Personen ohne
Verantwortung, zu beschließen: „Nicht 8000 Mann sind notwendig zur
Beendigung dieses Krieges und zur Erhaltung der deutschen Kolonien,
sondern nur 2500.“ Wem will das deutsche Volk folgen; dem General=
stab oder Herrn „Erzberger und Genossen“? Die verbündelen Regierungen
verlangen ferner eine Bahn im Süden der Kolonie, und sie erbitten die
Beschlußfassung über die Bahn, bevor der Reichstag in die Weihnachts-
ferien geht. Was tun Zentrum und Sozialdemokratie? Die Sache wird
hingezögert bis auf zwei Tage vor den Ferien, geheimnisvolles Dunkel
liegt über den letzten Absichten, und dann kommt das Ultimatum! Man
wagt es zwar nicht, die Bahn, welche erwiesenermaßen dem Reiche monat-
lich zwei Millionen an Transportkosten spart, schlechthin abzulehnen, man
wagt es nicht offen vor dem Volke, unsere Truppen im Süden der Kolonie
der Gefahr des Verhungerns auszusetzen und dem Kommandeur die ein-
fachsten Mittel zu verweigern, um die Truppe mobil zu halten und ihre
Zahl zu verringern: — aber Herrn Dernburg ist sein entschlossenes Auf-
treten gegen den Abg. Roeren nicht vergessen! Herr Dernburg soll's ent-
gelten; ihn und die Parteien, die einen Mann in der Regierung zu stützen
gewagt haben und die eine heimlich schreitende Nebenregierung nicht dulden
wollen, will man „unter der Fuchtel halten". Drum wird die Bahn-
vorlage verschleppt und an unübersehbare Bedingungen gebunden. Ob
auch unsere Truppen in Not sind, ob auch das Geld der Steuerzahler
vergeudet wird: — man nutzt die Macht der Mehrheit mit den Sozial-
demokraten rücksichtslos aus. Wem will das deutsche Volk folgen: dem
Ruf der nationalen Pflicht oder Herrn Roeren und Genossen? Deutsche
Wähler! Nicht kleine Parteiunterschiede sind in Frage, nicht untergeord-
nete Dinge! Auf unsere alte Waffenehre, auf unsere nationale Stellung
unter den Völkern kommt es an! Auf die Opfer an Gut und Blut, die
wir bisher gebracht haben, richtet die Blicke, damit sie nicht vergebens
waren. Darum laßt euch im kommenden Wahlkampf durch kleinere Unter-
schiede nicht trennen! Halten wir alle zusammen gegen Zentrum und
Sozialdemokratie, als freie Deutsche, die in der Zukunft ihres Volkes die
Zukunft für sich und ihre Kinder erkennen. Berlin, 14. Dezember 1906.
Die nationalliberale Reichstagsfraktion.
15. Dezember. (Potsdam.) Besuch des norwegischen Königs-
paares.