16 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 25. 26./29.)
mente zum Kampfe gegen die revolutionäre Sozialdemokratie anbahnen.
(Sehr richtig!) Die Zeit ist zu ernst, als daß wir uns den Luxus ge-
statten könnten, uns untereinander zu bekriegen. Dem Ausdruck dieser
Ueberzeugung bin ich aber bisher leider noch viel zu selten begegnet. Im
Gegenteil, während und nach den letzten Reichstagswahlen haben sich die
bürgerlichen Parteien zu oft in den Haaren gelegen, sie haben sogar Wahl-
bündnisse abgeschlossen mit der Sozialdemokratie (Hört, hörtl), die ihrer-
seits alle bürgerlichen Elemente als eine einzige feindliche Masse betrachtet
und behandelt. Für die Regierung und für die bürgerlichen Parteien muß
die Parole lauten: Gegen die revolutionäre Sozialdemokratie!“
25. Januar. Der Reichstag verweist die Gesetzentwürfe
über eine Maß- und Gewichtsordnung und über das Urheberrecht
an Werken der bildenden Kunst und Photographie an Kommissionen.
26. Januar. (Baden.) In der Zweiten Kammer erklärt
Minister des Innern Schenkel auf eine Interpellation über die
Fleischteuerung:
Nach den veranstalteten Erhebungen erreichten die Fleischpreise,
insbesondere für Schweinefleisch, im ganzen Lande, namentlich aber in den
Städten, eine ungewöhnliche Höhe. Die Erwartung, daß die Erscheinung
vorübergehend sein werde, hat sich bis jetzt nicht erfüllt. Die Regierung
ist in Erhebungen darüber eingetreten, was zu einer Verbilligung der
Fleischpreise und zur tunlichsten Verhütung einer künftigen ungewöhnlichen
Preissteigerung führen könne. Einer befriedigenden Lösung stehen aber
um so größere Schwierigkeiten entgegen, als die gleichen Verhältnisse nicht
nur in allen anderen Bundesstaaten, sondern auch teilweise im Auslande
eingetreten sind. Die Regierung wird nunmehr unverzüglich die Durch-
führung von Maßnahmen, die sich hauptsächlich auf die Hebung der Vieh-
zucht sowie auf die Anbahnung näherer Beziehungen zwischen den Produ-
zenten und Konsumenten und auf die Beseitigung der Auswüchse des
Zwischenhandels beziehen, einer Prüfung unterziehen und nach deren Er-
gebnis ihre weiteren Anordnungen treffen.
26.|29. Januar. (Reichstag.) Erste Beratung der Novelle
zum Gesetz über den Unterstützungswohnsitz.
Die Vorlage sieht die Herabsetzung der Altersgrenze für Erwerb
und Verlust des Unterstützungswohnsitzes vom 18. auf das 16. Lebensjahr
vor; außerdem soll die Frist, deren Ablauf den Verlust des bisherigen
Unterstützungswohnsitzes bedingt, von zwei auf ein Jahr verkürzt werden,
also drei Jahre früher ihr Ende erreichen.
Abg. Momnmsen (fr. Vg.): Der Entwurf enthalte eine Belastung
der Städte und eine Entlastung des Landes. Die Abwanderung aus den
Landgemeinden werde man hierdurch nicht verhindern. Staatssekretär
Graf Posadowsky: Die Entlastung des platten Landes sei notwendig.
Manche kleinere Gemeinden müßten das Dreifache der Staatssteuern an
Armenlasten aufbringen. Die Entvölkerung des Landes müsse verhütet
werden.
29. Januar. Abg. Herzfeld (Soz.): Die Vorlage sei eine neue
Unterstützung der ostelbischen Junker wie der Zolltarif. Man solle den
Landarbeitern eine menschenwürdige Existenz geben, dann würden sie auf
der Scholle bleiben. Warum lege man nicht lieber ein Gesetz zur Ver-
sicherung der Heimarbeiter vor? Abg. Schickert (kons.): Die Ursache der