Die Merreichischungerische Menerchie. (Februar 15./20.) 239
der Armee zurückwirken und den Offizieren die Siegeszuversicht rauben.
Die Lösung der Artillerie- und Marinefrage sei daher eine der wichtigsten
Aufgaben. Darum habe er die Verhältnisse mit rückhaltloser Offenheit
dargelegt. Abg. Graf Stuergkh (von der Vereinigung der verfassungs-
treuen Großgrundbesitzer): Man könne leider die Tatsache nicht übergehen,
daß in der anderen Hälfte des Reiches die wachsende politische Verwirrung
den Organismus der dort sich rekrutierenden Truppenteile aufs schwerste
beeinträchtige, ja bei weiterem Andauern dieser Zustände sogar aufzulösen
drohe. Angesichts der bedauerlichen Rückständigkeit des Heeres und der
Ausrüstung erscheine die österreichische Hälfte ihrerseits um so dringender
verpflichtet, für eine ungestörte Ergänzung des Heeres Sorge zu tragen.
Die durch diese Erwägung bestimmte Haltung des verfassungstreuen Groß-
grundbesitzes könne auch dadurch nicht beeinflußt werden, daß die Rekruten-
vorlage von einer Regierung eingebracht worden sei, deren politische Rich-
tung bei der Partei des Redners entschiedenes Mißtrauen erwecken müsse.
Die Vorlage wird mit 153 gegen 63 Stimmen unverändert an-
genommen. Dagegen stimmen die beiden alldeutschen Gruppen, Sozial-
demokraten, Tschechisch--Radikalen, Rumänen, Italiener und Jungtschechen.
15./20. Februar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. De-
batte über das Verhältnis zu Ungarn.
Ministerpräsident v. Gautsch erwidert auf eine Anfrage über die
Rückwirkung der ungarischen Krisis auf die österreichische Reichshälfte: Die
Regierung stehe unentwegt auf dem Boden der 67er Gesetzgebung und
halte an den von den früheren Regierungen getroffenen Abmachungen fest.
Behufs gesetzlicher Regelung der seit dem 1. Januar 1906 vorschußweise
erfolgten Beitragsleistung zu den gemeinsamen Kosten werde die Regierung
dem Reichsrate in den ersten Tagen des März eine entsprechende Vorlage
unterbreiten. Der autonome Zolltarif werde noch im Laufe des Februar
im Reichsgesetzblatt veröffentlicht werden. Der Handelsvertrag mit Deutsch-
land werde in nächster Zeit ratifiziert werden und auch die übrigen Handels-
verträge werden rechtzeitig in Wirksamkeit treten. Auch die ungarische
Regierung werde für das rechtzeitige Inkrafttreten des Zolltarifes und der
Handelsverträge sorgen.
In der Besprechung am 19./20. betonen sämtliche Redner, daß die
gegenwärtige Lage unausweichlich zu einer Neuregelung des Verhältnisses
mit Ungarn dränge und daß eine eventuelle Trennung der gemeinsamen
Armee die unbedingte Konsequenz haben werde, daß die ungarische Armee
dann auch von Ungarn allein vollständig erhalten werden müßte. Abg.
Grabmayr wirft dem Ministerium eine zögernde Haltung betreffend der
Einbringung des Ermächtigungsgesetzes vor und bemerkt, daß die Regierung
sich ein genaues Programm für die Revision des 67er Gesetzes unter nach-
drücklicher Wahrung der österreichischen Interessen vorbehalten müsse. Abg.
Groß: Die deutsche Fortschrittspartei halte unentwegt an dem Dreibund
fest, wozu eine starke Armee erforderlich sei. Er hebe die Wichtigkeit der
Stärkung der Industrie und der übrigen volkswirtschaftlichen Bedingungen
hervor. Abg. Graf Dzieduszycki (Pole) schreibt die heutige Lage teil-
weise dem Umstande zu, daß Oesterreich seit Jahren eine die Stütze des
Parlaments entbehrende Beamtenregierung habe, die ein ungünstiges Gegen-
gewicht gegen die in Ungarn bisher übliche Majoritätsregierung bilde, wes-
halb die Einsetzung einer auf die öffentliche Meinung und das Parlament
sich stützenden Regierung eine unabweisbare Notwendigkeit geworden sei.
Abg. Schleicher (Slovene): Die Grundbedingung für den Bestand der
Monarchie sei die Umgestaltung der beiderseitigen Staaten im Sinne der