Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

242 Die Ferreichischungerische Monarzie. (Februar 19.—23.) 
für heute bezw. die Ernennung des Generalmajors Nyiri zum bevollmäch- 
tigten kaiserlichen Kommissar behufs Auflösung des Reichstages betreffen. 
Dieses letztere Handschreiben verfügt, daß alle den Anordnungen Nyiris zu 
gehorchen und so den königlichen Befehl zu befolgen haben. Bei Zuwider- 
handlungen soll eine den Gesetzen entsprechende Ahndung eintreten. Das 
dritte Handschreiben verfügt die Auflösung des Reichstages mit der Be- 
gründung, daß die zur Mehrheit gehörigen koalierten Parteien die Ueber- 
nahme der Regierung ohne Beeinträchtigung der im Gesetz gewährleisteten 
königlichen Rechte auf annehmbarer Grundlage hartnäckig verweigerten, 
und daß demnach eine nützliche Tätigkeit im Interesse des Landes von dem 
Reichstage nicht zu erwarten sei. Die baldmöglichste Einberufung eines 
neuen Reichstages sei vorbehalten. — Am 20. veröffentlicht das Amtsblatt 
das Protokoll über die vom Honvedobersten Fabricius durchgeführte Be- 
kanntgabe des königlichen Handschreibens bezüglich der Auflösung des 
Reichstages. Die Bekanntgabe geschah im Sitzungssaale der Abgeordneten 
in Gegenwart von 30 bis 40 Abgeordneten. Das Protokoll ist von dem 
Obersten Fabricius und fünf Polizeiinspektoren unterfertigt, die an der 
Amtshandlung teilgenommen haben. Der königliche Kommissar hat bei 
der Bekanntgabe gleichzeitig erklärt, daß, falls versucht werden sollte, trotz 
der rechtskräftigen Auflösung die für den 21. Februar anberaumte Sitzung 
abzuhalten, werde diese mit Waffengewalt verhindert werden. 
Eine andere Bekanntmachung der Regierung hebt hervor, daß das Hand- 
schreiben betr. die Auflösung des Reichstages auf eine baldige Einberufung 
des Reichstages hinweise. Man könne die Auflösung daher nicht als den 
Beginn eines Absolutismus bezeichnen, da sie ein unzweifelhaftes Recht der 
Krone sei. Die Entsendung des königlichen Kommissars, dessen Ernennung 
unter Gegenzeichnung der verantwortlichen Minister erfolgt sei, könne eben- 
falls nicht beanstandet werden, da der König seine Rechte auch durch einen 
Kommissar ausüben könne. Mit Rücksicht darauf, daß das Abgeordneten- 
haus das Verlesen des Handschreibens verhinderte, habe Oberst Fabricius 
unter einer durch die Umstände erforderlichen militärischen Bedeckung die 
Verlesung des Handschreibens im Abgeordnetenhause durchgeführt, jedoch 
sei gegen das Haus keine Gewalt angewandt worden. 
19. Februar. (Pest.) Außer einer Demonstration einiger 
Hundert Studenten findet keine Bewegung in der Bevölkerung statt. 
21. Februar. Eine kaiserliche und königliche Verordnung setzt 
den Zolltarif und den Handelsvertrag mit Deutschland in Kraft. 
23. Februar. (Cisleithanien.) Die Regierung bringt fünf 
Gesetzentwürfe über die Reform des Abgeordnetenhauses ein. 
Durch den ersten Entwurf wird das Grundgesetz über die Reichs- 
vertretung vom 21. Dezember 1867, bezw. 2. April 1873 und 12. November 
1886, sowie 14. Juli 1896 abgeändert. Der zweite Entwurf handelt von 
der Wahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der der Reichsrats- 
wahlordnung. Der dritte umfaßt die strafrechtlichen Bestimmungen zum 
Schutz der Wahlfreiheit, der vierte bringt eine Ergänzung des § 16 des 
Grundgesetzes über die Reichsvertretung, und der fünfte endlich ändert die 
Geschäftsordnung des Reichsrats. — Der auf die Abgeordnetenwahl be- 
zügliche Entwurf bestimmt u. a., daß auch Mitglieder des Herrenhauses 
in das Abgeordnetenhaus gewählt werden können, doch ruht für die Dauer 
des Abgeordnetenmandates die Mitgliedschaft im Herrenhause. Die Zahl 
der Mitglieder des Abgeordnetenhauses beträgt 455 (wird also gegenüber 
 
	        
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