Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Bie österreichisch-ungarische Menarhie. (Februar 27.—März 3.) 245 
nicht sinken lassen. (Lebhafter Beifall.) — Personen gehen, Ideen bleiben. 
— Mein Sturz ist nicht der Sturz der Wahlreform. (Anhaltender, leb- 
hafter Beifall, Händeklatschen und höhnische Zurufe der Alldeutschen.) Der 
Ministerpräsident wird beglückwünscht. 
27. Februar. (Ungarn.) Das Finanzministerium veröffent- 
licht eine Darstellung und ziffermäßige Aufstellung der Staats- 
ausgaben. 
Der Voranschlag für 1906 beruht danach auf dem Voranschlag 
von 1905 mit sehr erheblichen Verringerungen. Die Verringerungen be- 
tragen im Rahmen der ordentlichen Ausgaben und der Investitionen rund 
10 Millionen Kronen. Die strenge Ordnung in der Führung des Staats- 
haushalts ist durch mehrere den Ressortministern auferlegte Beschränkungen 
gesichert, welche der Ministerrat beschlossen hat. Unter anderem dürfen 
ohne besondere Ermächtigung des Ministerrats selbst Ausgaben für die 
Fortsetzung der bereits in den früheren Budgetjahren begonnenen Investi- 
tionen nicht geleistet werden. 
Ende Februar. (Ungarn.) Kundgebungen der Opposition. 
Die Koalition veröffentlicht eine Adresse, in der sie behauptet, daß 
die Auflösung des Abgeordnetenhauses nicht nur erfolgt sei, weil die Mehr- 
heit des Hauses die absoluten militärischen Hoheitsrechte der Krone nicht 
anerkennen konnte, sondern ebensosehr zu dem Zweck, die Selbstbestimmung 
der Nation auf wirtschaftlichem Gebiete zu vereiteln, ohne Rücksicht darauf, 
daß die gesetzwidrig zustande gekommenen Handelsverträge für das Land 
nicht bindend seien. Die Kundmachung fordert schließlich alle Bürger ohne 
Unterschied der Parteistellung auf, gegen die gesetzwidrigen Maßnahmen 
der Regierungsgewalt unermüdlichen Widerstand zu leisten. Die Verfassung 
müsse schließlich vom Siege gekrönt werden. — In einem offenen Briefe 
an seine Wähler erklärt Graf Julius Andrassy, eine Verständigung sei 
unmöglich gewesen, weil man das Recht des Parlaments bestritten habe, 
bei Fragen der Dienst= und Heeresorganisation und bei Bestimmung der 
Kommandosprache mitzuwirken und die Bewilligung des Rekrutenkontingents 
von der Annahme gewisser Bedingungen abhängig zu machen. Aus diesem 
Grunde wollte man auch geringfügige Konzessionen nicht machen, um dem 
grundsätzlichen Standpunkt der Krone bezüglich der Militärhoheitsrechte 
nicht zu präjudizieren. Man lehnte jede Art eines Kompromisses ab und 
forderte die unbedingte Unterwerfung. Andrassy erklärt ferner, falls er 
sich um des Friedens willen entschlossen haben würde, ein Kabinett zu 
bilden, so würde seine Aufforderung ganz vergebens gewesen sein. Die 
Nation wäre ihm auf dem Wege der Demütigung nicht gefolgt und der 
Frieden wäre nicht eingekehrt. Er habe daher den ihm aufgezwungenen 
Kampf aufnehmen müssen, was ihm persönlich besonders peinlich sei, da 
ihn ein Band der Liebe und Dankbarkeit mit dem Monarchen verknüpfe. 
Andrassy spricht dann die Hoffnung aus, daß innerhalb der gesetzlichen 
Frist die Wahlen für das Abgeordnetenhaus stattfinden werden und schließt 
damit, daß er versichert, die ungarische Nation jage keinen unerreichbaren 
Utopien nach, sondern sie halte nur fest an ihrem verfassungsmäßigen Recht, 
für dessen Behauptung sie gekämpft habe. 
3. März. (Ungarn.) Der Führer der „Neuen Partei“, 
Baron Bauffy, tritt aus der Koalition aus. 
Er ist für die Ausschaltung der militärischen Frage aus dem 
Oppositionsprogramm, fordert die Anbahnung der vollständigen wirtschaft- 
 
	        
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