248 Die üsterreichisch-ungeriseze Monarchie. (März 7.—10.)
politisch größten Widersacher bilden, dann werden alle diejenigen zusammen-
gehen, ohne Rücksicht auf Schwarz oder Rot, welche für das allgemeine
Stimmrecht sind. Und die Gewählten sind dann schon aufs allgemeine
Stimmrecht vereidigt. So ist es gewiß besser, daß derjenige, der weiß,
die Wahlreform wird gemacht, der aber will, daß sie mit Berücksichtigung
seiner nationalen, beruflichen oder irgendwelcher anderen Interessen ge-
macht werde, die Zeit ausnützt, solange er noch wach ist, denn er könnte
leicht vom Schicksal überrannt werden.
Am 23. polemisiert Graf Stürgkh gegen das Gesetz: Die Wahl-
resormaktion der Regierung sei der schwerste Schlag gegen das Deutschtum
in Oesterreich seit dem Beginn der verfassungsmäßigen Aera. Im vollen
Bewußtsein, daß durch die Wahlreform die Interessen des Staates bedroht
sind, deren Erhaltung einer anderen Instanz zusteht, rufe ich über die
Häupter dieser Regierung hinweg zum Fenster dieses Saales hinaus dem
Minister des Aeußern zu: Ist Exzellenz sich der Gefahren bewußt, die für
wesentliche Interessen der Dynastie und der Monarchie durch diese Re-
gierung heraufbeschworen werden? Und wenn ja, was gedenkt Exzellenz
vorzukehren, um diese Gefahren abzuwehren? Ein Recht auf die Beant-
wortung dieser Anfrage hat die gesamte Oeffentlichkeit! (Großer Lärm
bei den Christlich-Sozialen und Sozialdemokraten, Beifall bei den Deutschen
und Polen.)
7. März. (Ungarn.) Veränderungen im Ministerium.
Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung des Ministerialrates
Franz Hegedues zum Finanzminister, des Ministerialrates Tost zum Kultus-
und Unterrichtsminister und des Feldmarschall-Leutnants Bela Papp zum
Honvedminister. Gleichzeitig wird Baron Fejervarhy, der provisorisch auch
das Finanzportefeuille geführt hatte, seiner Stellung als Finanzminister
enthoben. Der bisherige Kultus= und Unterrichtsminister Dr. Georg Lukacs
und der bisherige Honvedminister Feldmarschall-Leutnant Bihar werden
ihrer Stellungen unter Anerkennung ihrer treuen und eifrigen Dienste ent-
hoben. — In der Presse werden die Veränderungen im Kabinett als ein
Zeichen der Konsolidierung der bisher verfolgten Regierungspolitik aufgefaßt.
9. März. Der Reichskriegsminister schärft den Kommandanten
unter Hinweis auf Vorgänge in Ungarn ein, den Zivilbehörden bei
Unterdrückung von Unruhen energisch beizustehen.
März. (Ungarn.) Die Budapester Banken stellen der Re-
gierung einen Kontokorrentkredit von 100 Millionen Kronen zur
Verfügung.
10. März. Ungarische Finanzen.
Der Staatskassenausweis für 1905 zeigt gegenüber dem Vorjahre
einen Ausfall von Einnahmen in der Höhe von 160 Millionen Kronen
und eine Verminderung der Ausgaben um 42,7 Millionen. Der Einnahme-
ausfall rührt daher, daß die direkten Steuern, weil der Reichstag sie nicht
bewilligte, nicht geleistet worden sind. Verschiedene Zweige der indirekten
Steuern zeigen jedoch eine Erhöhung. So brachte Tabak eine Mehr-
einnahme von 3,1 Millionen, Post und Telegraphen eine solche von 3,8
Millionen und die Staatsbahnen eine solche von 13,1 Millionen Kronen.
Der Unterschied der Einnahmen für 1905 gegenüber denen von 1904 er-
scheint auch darum bedeutend, weil im Jahre 1904 auch die Steuern des
Vorjahres entrichtet wurden, da der Reichstag auch 1903 die Steuern nicht
bewilligt hatte. «