Vie üsterreichischungarische Menarchie. (Mai.) 253
Erfolg hänge aber von dem Rückhalte ab, den das Haus der Regierung
zu bieten gewillt sei.
Mai. Differenzen zwischen Österreich und Ungarn über die
Handelspolitik.
Der autonome Zolltarif, auf Grund dessen die neuen Handels-
verträge abgeschlossen worden sind, muß von dem ungarischen Parlament
noch angenommen werden, was in Oesterreich bereits geschehen ist. Die
ungarische Regierung ist hierzu bereit, sie will aber nicht, wie das öster-
reichische Gesetz, den Zolltarif bezeichnen als einen „allgemeinen Zolltarif
für das österreichisch-ungarische Gebiet“, als einen „Zolltarif, der für das
gemeinsame Zoll- und Handelsgebiet der österreichisch--ungarischen Monarchie
gelten und dessen Gültigkeit sich auf die Dauer des Zoll= und Handels-
bündnisses erstrecken soll“. Hiernach ist überall im Gesetze Voraussetzung,
daß es sich um einen gemeinsamen Zolltarif auf Grund eines gemeinsamen
Zoll= und Handelsgebietes, und auf Grund des Zoll= und Handelsbünd-
nisses handelt. Die ungarische Regierung will nun den gemeinsamen Zoll-
tarif in einen solchen für das ungarische Zollgebiet umwandeln, der in-
haltlich gleichlautend mit dem österreichischen sei; es soll auch ausdrücklich
ein Zolltarif für Oesterreich und Ungarn sein, aber doch als „selbständiger
ungarischer Zolltarif“ ins Leben treten. — Anscheinend soll hierdurch ein
selbständigess ungarisches Wirtschaftsgebiet vorbereitet werden. Sachlich wird
damit gegen den bisherigen Zustand nichts geändert — die Monarchie
bleibt auch unter diesen Umständen ein einheitliches Zollgebiet; der Idee
nach wäre aber der entscheidende Schritt zur Trennung heute, zehn Jahre
bevor sie Ereignis wird oder werden soll, bereits getan. Nach Ablauf der
Handelsverträge hätte es Ungarn in der Hand, einen eignen Zolltarif zu
erlassen und eigne Handelsverträge abzuschließen. — Die österreichische Re-
gierung opponiert scharf gegen diese Absicht und droht mit dem Rücktritt,
falls der Kaiser den ungarischen Standpunkt billigt. Prinz Hohenlohe ist
nicht unbedingt gegen die Absicht, die bisherige Zollgemeinschaft zwischen
Oesterreich und Ungarn zu lösen, und beiden Hälften der Monarchie in
den Zollfragen künftighin volle Freiheit zu gewähren. Er verlangt nur,
daß dies offen und in aller Form bei einer umfassenden Neuordnung der
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Reichshälften geschehe.
Mai. Stimmen über den bevorstehenden Besuch Kaiser Wil-
helms und das Bündnis mit Deutschland.
Das „Fremdenblatt" schreibt (9. Mai): „Für die ersten Tage des
nächsten Monats steht uns ein Besuch des Deutschen Kaisers bevor. Der
Besuch erfolgt auf die eigene Initiative Kaiser Wilhelms, der den Wunsch
hatte, unserem Monarchen, seinem kaiserlichen Freund, den er nun schon
seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen hat, wieder einmal die Hand zu
drücken. Die Tagespolitik ins Spiel zu bringen, um das Erscheinen
Kaiser Wilhelms in Wien zu erklären, ist überflüssig, und wie versichert
wird, soll in dem äußeren Verlaufe des Zusammentreffens der unpolitische
Charakter desselben zutage treten. Vollständig läßt sich freilich auch ein
ganz intimer Besuch des verbündeten Herrschers von der Politik nicht los-
lösen, da gerade die Intimität der persönlichen Beziehungen zu den Ele-
menten der Festigkeit des Bündnisses gehört, das die Staaten vereinigt.
... Darum wird es immer einen tiefen Eindruck machen, wenn die Ober-
häupter der Staaten, die es vereinigt, sich, sei es auch nur aus perfön-
lichen Gründen, begegnen. Wenn die Monarchen zusammenkommen, ist
der Bündnisgedanke mit ihnen.“