Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

302 Grofßbriktannien. (Juli 23.— August 3.) 
23.25. Juli. (London.) Auf der interparlamentarischen 
Friedenskonferenz spricht sich Premierminister Campbell-Banner- 
mann für Schiedsgerichte aus und bringt der russischen Duma 
eine Ovation. 
24. Juli. (Oberhaus.) Lord Roberts kritisiert scharf die 
militärischen Pläne der Regierung als falsche Sparsamkeit, wodurch 
auch der Aufstand in Natal hervorgerufen worden sei. 
27. Juli. (Unterhaus.) Verminderung des Flottenbau- 
programms. 
Unterstaatssekretär Robertson führt aus, daß das ursprüngliche 
Programm 4 Panzerschiffe, 5 Hochsee-Torpedobootszerstörer, 12 Küsten- 
Torpedobootszerstörer und 12 Unterseeboote vorgesehen habe und daß be- 
absichtigt war, 4 Panzerschiffe nach dem Dreadnought-Typ zu bauen. Dieses 
Programm sei im November aufgestellt und seitdem sorgfältig geprüft 
worden. Es sei die einstimmige Ansicht der Admiralität, daß es in fol- 
gender Weise einzuschränken sei: Statt 4 Panzerschiffen der Dreadnought= 
Klasse sollen nur 3 gebaut werden, anstatt 5 Hochsee-Torpedobootszerstörer 
nur 2 und anstatt 12 Unterseeboten nur deren 8. Die Zahl der Küsten- 
Torpedobootszerstörer soll unverändert bleiben. Die Gesamtausgabe hätte 
nach dem früheren Programm 9 340000 Pfund Sterling betragen, wäh- 
rend sie sich nach dem neuen auf 6800000 Pfund Sterling stelle. Der 
Voranschlag werde in diesem Jahre durch diese Einschränkung nicht so 
vorteilhaft beeinflußt werden, aber im nächsten Jahre werde der Voranschlag 
um etwa 1½ Millionen Pfund Sterling verringert werden.. Die Re- 
gierung wolle 1907 und 1908 anstatt mit dem Bau von 4 Panzerschiffen 
zu beginnen, wie ursprünglich beabsichtigt war, nur zwei auf den Vor- 
anschlag setzen, dabei sich aber vorbehalten, daß ein drittes erbaut werden 
solle, wenn die Haager Konferenz zu keinem Resultate führen sollte be- 
züglich der Einschränkung der Rüstungen. Außerdem werde die Anfangs- 
baurate der Schiffe so niedrig bemessen, daß erst gegen Ende des Finanz- 
jahres zu dem Bau geschritten werden könnte. Auf diese Weise betone 
die englische Regierung, daß sie von aufrichtigen Absichten beseelt sei, und 
wünsche, die Rüstungen zu vermindern. Die Prüfung der allgemeinen 
internationalen Flottenverhältnisse habe sie überzeugt, daß das Gleichgewicht 
der Machtverhälmmisse zur See durch eine Reduktion nicht werde erschüttert 
werden. 
3. August. (Oberhaus.) Unterrichtsgesetz. 
Das Haus nimmt die Unterrichtsbill in zweiter Lesung einstimmig 
an. Die Redner der Opposition erklären jedoch, daß dieses Votum ihrer 
ferneren Haltung nicht präjudiziere; sie behielten sich vielmehr vor, in der 
Herbstsession einschneidende Abänderungsanträge zu stellen. 
3. August. (Unterhaus.) Campbell-Bannermann über den 
Zwei-Mächte-Standard und die Beziehungen zu Deutschland und 
Frankreich. 
Abg. Balfour (kons.) erklärt die Flottenpolitik für gefährlich, da 
eine deutsch-französische Kombination nicht unmöglich sei. Ministerpräsident 
Campbell-Bannermann: Ich behaupte nicht, daß dieser Standard — 
der Zwei-Mächte-Standard — nicht zuweilen eine sehr vernünftige Sache 
ist. Aber wenn die als Beispiel angeführten Mächte zwei Mächte sind,
	        
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