Frankreich. (Februar 16.—28.) 309
Beratung und führt aus, auch die neuen Tarifsätze seien prohibitiv und
würden jede Vermehrung der französischen Ausfuhr nach Rußland nament-
lich in gewöhnlichen Weinen verhindern. Der Handelsvertrag sei ein Blend-
werk. Redner spricht von der mißlichen Lage der französischen Weinbauern
und wirft der Regierung vor, sie versäume die Gelegenheit, den französi-
schen Weinen neue Absatzgebiete in Rußland zu schaffen. Man hätte Ruß-
land an die Dienste, die ihm Frankreich erwiesen habe, erinnern sollen.
Frankreich habe die russischen Papiere genommen. Rußland solle die
französischen Waren nehmen. Ministerpräsident Rouvier: Es ist der
französischen Unterhändler und des großen Landes, von dem Sie sprachen,
durchaus unwürdig, wenn Sie sagen, daß es uns Papiere verkauft, und
wir ihm dafür Geld geben. Warum glauben Sie, daß die Unterhändler
eine Nachlässigkeit begangen haben, wie Sie sie ihnen vorwerfen? Dou-
mergue: Wir urteilen nach den Ergebnissen! Wenn Rußland sich auf
den Sparstrumpf Frankreichs verlassen will, dann muß dieser Strumpf
auch immer wieder gefüllt werden. Gerade weil wir an die Entwicklung
der russischen Nation glauben, und weil wir der verbündeten Nation un-
sere Sympathie entgegenbringen, müssen wir mit diesem großen Absatz-
markt rechnen. Wir haben ein Recht, ihr zu sagen: Nehmt unser Geld,
aber nehmt auch unsere Waren! Rußland muß uns gegenüber seinen guten
Willen zum Ausdruck bringen.
Der Vertrag wird mit 407 gegen 55 Stimmen angenommen, nach-
dem Rouvier die Vertrauensfrage gestellt hat.
16. Februar. Der Senat wählt den bisherigen Vizepräsi-
denten Dubost an Fallieres' Stelle mit 241 Stimmen gegen 21
zum Präsidenten.
18. Februar. Präsident der Republik Fallieres tritt sein
Amt an.
23. Februar. Die Kammer genehmigt mit 501 gegen
5 Stimmen ein Gesetz über Altersversicherung. Die Kosten wer-
den auf 346 Millionen jährlich geschätzt, der Staat trägt dazu
158 Millionen bei.
B. Februar. (Kammer.) Abg. Jaures (Soz.) greift die
Regierung scharf an, daß sie durch ihre Unversöhnlichkeit den Aus-
gang der Marokkokonferenz gefährde, obgleich sie den internationalen
Charakter der Marokkofrage anerkannt habe. Ministerpräsident
Rouvier verweigert eine Darlegung der französischen Marokkopolitik.
28. Februar. Der Senat genehmigt ein von der Kammer
angenommenes Gesetz, wonach das Briefporto im innern Verkehr
und im Verkehr mit den Kolonien von 15 auf 10 Centimes herab-
gesetzt wird. — Das Gesetz tritt am 16. April in Kraft.
28. Februar. (Kammer.) Debatte über die Dauer der
militärischen übungen. Krisis der Regierung.
Die Kammer genehmigt trotz lebhaften Widerspruchs der Regierung
einen Antrag der Heereskommission, die Uebungen der Reserve von 28
auf 15 und der Territorialarmee auf 6 Tage herabzusetzen. — Abg. Brisson