Die Römisqhhe Kurie. (Februar 17.) 347
maßregeln unter die willkürliche Herrschaft der bürgerlichen Gewalt; der
Staat gestatte sich einen Einbruch in das ausschließliche Gebiet der kirch-
lichen Gewalt. Im besonderen weist der Papst dies an der Verfassung
der Kultusgenossenschaften nach. Laut Meldungen aus Rom soll Pius X.
nur dann die Kultusgenossenschaften anerkennen wollen, wenn diese sich
im Einvernehmen mit dem zuständigen Bischof bilden und diesem sich
unterordnen. Die bezüglichen Bestimmungen des Trennungsgesetzes seien,
erklärt der Papst, gegen die Konstitution, nach welcher Christus die Kirche
gegründet hat. Die Kirche bilde eine in sich ungleiche Gesellschaft, indem
sie aus zwei Kategorien von Personen bestehe, von denen die eine zu führen
habe als die Hirten, die andere, die Menge, als gelehrige Herde zu folgen
habe. Diesem Prinzip sei direkt zuwider die Errichtung von Laiengesell-
schaften mit den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Befugnissen betreffend die
kirchlichen Gebäude, das Kirchenvermögen, den Kultus, die Seminarien
u. s. w. Ueber die hierarchische Gliederung der Kirche hülle sich das Gesetz
ganz in Schweigen, der Staatsrat sei schließlich allein kompetent, und die
kirchliche Autorität habe keine Gewalt mehr über die Kultusgenossenschaften.
Ueberdies würden aus der unklaren Fassung mancher Bestimmungen viele
Streitigkeiten bezüglich der Auslegung sich ergeben. Gegen die göttlichen
Bestimmungen verstoßend, sei das Gesetz auch aufs äußerste der Freiheit
der Kirche feindlich durch die Einschränkung der Tätigkeit der Geistlichkeit,
der Ausübung des Kultus, durch Aufhebung der inneren Kirchenpolizei,
soweit sie durch die Kirche ausgeübt werde, durch Strafandrohungen, die
der Willkür Tür und Tor öffneten. So versetze das Gesetz die Kirche in
eine demütigende Lage und beraube die ungeheure Mehrheit der friedlichen
Bürger Frankreichs des geheiligten Rechtes, ihre Religion nach eigenem
Willen zu üben. Zu der Entfremdung der der Kirche gehörigen Güter
übergehend, protestiert der Papst aufs neue gegen die rechtswidrige Ein-
ziehung aller vor dem Konkordat errichteten kirchlichen Gebäude und gegen
die Beseitigung des kirchlichen Budgets, das, zum Teil wenigstens, doch
nur eine Entschädigung darstelle, kein Geschenk. Wenn der Papst die An-
käufe der seinerzeit eingezogenen Kirchengüter in Ruhe gelassen habe, so
sei dies nur in der Ueberzeugung geschehen, daß der Staat auch immer
seine Zusage bezüglich des Budgets halten werde. Die Folgen dieses Ge-
setzes für Frankreich würden höchst verderblich sein. „Wir können nicht
ohne die lebhafteste Angst sehen, wie die Regierung einen Akt begeht, der,
indem er auf dem religiösen Gebiete die schon allzu schlimmen ernsten
Leidenschaften noch weiter reizt, geeignet zu sein scheint, in einem ganzen
Lande das Unterste zu oberst zu kehren. Und darum, uns erinnernd an
unsere apostolische Aufgabe, und der gebieterischen Pflicht bewußt, die uns
auferlegt, die unverletzlichen und heiligen Rechte der Kirche gegen jeden
Angriff zu verteidigen und in ihrer vollen Unverderbtheit zu bewahren,
kraft der höchsten Autorität, die uns Gott verliehen hat, weisen wir zurück
und verurteilen wir aus den oben auseinandergesetzten Gründen das in
Frankreich angenommene Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat
als tief beleidigend für Gott, den es amtlich verleugnet, indem es als
Grundsatz aufstellt, daß die Republik keinen Kultus anerkennt. „Wir
weisen es zurück und verurteilen es als eine Verletzung des Naturrechts,
des Völkerrechts und von Treue und Glauben, die bei Verträgen gelten
müssen; als der göttlichen Verfassung der Kirche zuwider, ihren wesentlichen
Rechten und ihrer Freiheit; weil es die Gerechtigkeit umstürzt und die
Besitzrechte mit Füßen tritt, welche die Kirche unter vielfachen Rechtstiteln
und außerdem kraft des Konkordats erworben hat; wir verwerfen und
verurteilen es als schwer beleidigend für die Würde des apostolischen