Die Römische Kurie. (September Anfang. Dezember 21.) 353
nehmen oder nicht, das der Papst schon formell und feierlich in einer ersten
Enzyklika verworfen hat, hieße ihnen eine Beleidigung zufügen, die viel-
leicht dem Temps erträglich scheint, die sich aber gewiß kein Vorsitzender
einer solchen Versammlung erlaubt hätte. Die erste Frage, die den ver-
sammelten französischen Bischöfen wirklich vorgelegt wurde, war, ob die
Kultusvereine, so wie das Gesetz sie vorschreibt, möglich seien ohne Ver-
letzung der heiligen Rechte, mit denen das Leben der Kirche selber zu-
sammenhängt. Und die Antwort des Episkopats auf diese Frage war be-
stimmt, klar und fast einstimmig verneinend. Indem die päpstliche Enzyklika
behauptet, daß diese Vereine von den Bischöfen beinahe einstimmig ver-
worfen wurden, entspricht sie also nicht nur vollkommen der Wahrheit,
sondern gebraucht dazu auch dieselben Worte, womit die Bischöfe erklärten,
daß jene Vereine nicht möglich seien, wenn die wesentlichen Rechte der
Kirche aufrecht erhalten würden. Die päßpstliche Enzyklika befaßt sich mit
der zweiten Frage betreffend die Möglichkeit anderer, kanonischer Vereine
erst, nachdem sie festgestellt hat, daß die erste Frage durch das fast ein-
stimmige Votum der Versammlung zu Paris verneint worden ist. Wir
fragen den Temps oder wen immer, ob er es wagt, dieser unserer ein-
gehenden und bestimmten Behauptung zu widersprechen, aus der klar her-
vorgeht, daß, wenn von Fälschung oder Verhüllung der Wahrheit die
Rede sein kann, dies nicht den Papst (ein ungeheuerlicher Gedankel), son-
dern den Temps trifft, der — sei es aus Versehen oder aus böser Absicht,
sich bemüht, zwei ganz verschiedene Teile des päpstlichen Dokuments zu
vermengen.“
Anfang September. (Rom.) Zum General des Jesuiten-
ordens wird ein Deutscher P. Franz Kaver Wernz gewählt. — Die
französische Presse bezeichnet ihn als Kandidaten des Deutschen
Kaisers, die Kurie werde nunmehr stets Deutschland gegen Frank-
reich unterstützen. Die „Süddeutsche Reichskorrespondenz“ erklärt,
Wernz sei in Berlin gar nicht bekannt gewesen.
21. Dezember. Protest des Vatikans gegen die französische
Regierung.
Der Kardinalstaatssekretär übersendet allen diplomatischen Vertretern
mit dem Auftrage, sie den Regierungen, bei denen sie beglaubigt sind, mit-
zuteilen, eine Protestnote gegen die von der französischen Regierung im
Palais des Vertreters des heiligen Stuhles vorgenommene Haussuchung,
gegen die Fortschaffung verschiedener Schriftstücke und die gewaltsame Aus-
treibung des Msgr. Montagnini. Die Protestnote betont die Ungeheuerlich-
keit eines solchen Vorgehens, das bisher bei den zivilisierten Nationen
beispiellos dastehe: „Selbst wenn die diplomatischen Beziehungen zwischen
zwei Staaten aufhören, so respektiert man doch nach wie vor den Wohnsitz
und das Archiv der fremden Vertreter. Die Regierung schaffte Kataloge
und Akten aus der Nuntiatur aus den Zeiten Claris und Lorenzellis fort
und einen Schlüssel für Telegramme, die zwischen Lorenzelli und dem
heiligen Stuhl ausgetauscht worden waren. Diese Sequestrierung ist eine
sehr schwere Beleidigung, nicht nur für den heiligen Stuhl, sondern auch
für alle zivilisierten Mächte, welche das höchste Interesse daran haben,
diplomatische Geheimnisse respektiert zu sehen. Der heilige Stuhl protestiert
in gleicher Weise gegen die durch die französische Regierung vorgenommene
Verletzung des unbestreitbaren Rechtes des Kirchenfürsten, anhaftend seiner
Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche, nämlich des Rechtes, direkt durch
Europäischer Geschichtskalender. XLVII. 23