Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

354 Bie Rönische Kurie. (Dezember Ende.) 
Vermittlung einer bestimmten Person in Briefwechsel zu treten mit den 
Katholiken der ganzen Welt, mit Bischöfen oder einfachen Gläubigen, über 
alles das, was auf das geistliche Wohl der Katholiken selbst Bezug hat.“ 
Der Kardinalstaatssekretär fügt hinzu, es sei auch nicht der Schatten einer 
Grundlage vorhanden für den Vorwand, welchen die französische Regierung 
zur Rechtfertigung ihres Vorgehens abgegeben habe. Msgr. Montagnini 
hat den drei Geistlichen in Paris, welche wegen einer Verletzung des Ge- 
setzes von 1905 verfolgt werden, keinerlei Mitteilungen zukommen lassen. 
— Die Vertreter des heiligen Stuhles erhalten außerdem ein Zirkular, 
welches die Gründe für die bis dahin vom heiligen Stuhl gegenüber der 
französischen Regierung beobachtete Haltung betreffs der Anwendung des 
Gesetzes von 1905 darlegt: „Diese Gründe sind so gewichtig und klar, daß 
niemand dem heiligen Stuhl Unversöhnlichkeiten oder eine ungerechtfertigte 
Feindseligkeit gegenüber der französischen Regierung vorwerfen kann. Das 
Gesetz von 1905 verkannte wesentliche Rechte der Kirche, die auf ihrer 
Verfassung selbst beruhen, nämlich die, welche die von ihrem göttlichen 
Gründer eingerichtete Hierarchie als die Grundlage der Organisation der 
Kirche ansehen. In der Tat übertrug das Gesetz von 1905 nicht nur den 
Kultusverbänden bezüglich der Ausübung des Kultus und bezüglich der 
Besitzer und der Verwaltung der Kirchengüter die Rechte, die ausschließlich 
eine kirchliche Behörde besitzt, sondern es entzog sogar die Verbände selbst 
der Hierarchie, es machte sie unabhängig, um sie der Jurisdiktion einer 
weltlichen Behörde zu unterstellen. Es ist klar, daß der souveräne Pontifex 
die Bildung solcher Verbände nicht gutheißen konnte, ohne gegen seine 
Pflichten in seiner Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche zu verstoßen und 
ohne selbst die dogmatischen Grundsätze der Kirche zu verletzen. Dies gilt 
noch mehr von dem Rundschreiben des Kultusministers Briand vom 1. De- 
zember. Ohne andere Erwägungen anzustellen, konnte der heilige Stuhl 
unter keiner Bedingung die ungerechte und unerträgliche Lage zulassen, 
die dieses Rundschreiben für die Diener des Kultus in der Ausübung ihres 
Amtes schuf. Um sich zu überzeugen, genügt es, folgende Bestimmung 
anzuführen: Geistliche oder Vikare wird es in der Kirche nur noch ohne 
den rechtlichen Titel geben. Dieselben werden kein Recht haben, irgend 
einen Verwaltungsakt auszuüben, und noch weniger einen Verfügungsakt. 
Alles dies zeigt deutlich, daß der heilige Stuhl nur genau seine Pflicht 
tat, indem er dem französischen Klerus die bekannten Instruktionen gab. 
Wenn die Regierung von billigeren Empfindungen erfüllt gewesen wäre 
und der Kirche in Frankreich eine Lage schaffte, die zum mindesten nicht 
ihre wesenllichen Rechte antastete, so könnte der heilige Stuhl, ohne den 
Grundsatz der Trennung im Prinzip anzuerkennen, doch eine solche Lage 
dulden, um schwere Uebelstände zu vermeiden, wie er es in anderen Län- 
dern getan habe."“ 
Ende Dezember. Die Behauptung, daß der Papst 1893 
500000 Francs von der deutschen Regierung erhalten habe (S. 226), 
wird von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ unter Beifall 
des „Osservatore Romano“ dementiert. 
 
	        
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