Rußland. (März 7.) 371
gesetzgeberische Befugnisse und haben in gleicher Weise das Recht der Initia-
tive bezüglich der Einbringung der Gesetzesvorlagen und ebenso das Recht,
Fragen an den Minister zu richten. Jede Gesetzesvorlage muß, ehe sie
dem Kaiser zur Sanktion vorgelegt wird, von der Duma und dem Reichs-
rate angenommen worden sein. Gesetzesvorlagen, die von einer der beiden
gesetzgebenden Körperschaften abgelehnt worden sind, werden dem Kaiser
nicht zur Sanktion vorgelegt. Die Duma und der Reichsrat haben beide
das Recht, die Wahl ihrer Mitglieder für ungültig zu erklären. — In
dem Manifest wird ferner angekündigt, daß der Befehl zur Ausarbeitung
der sowohl das autonome Großfürstentum Finnland wie das eigentliche
Rußland interessierenden Gesetze durch besonderen Ukas ergehen wird. Die
Kundgebung schließt mit der Erklärung des Kaisers, er hege die feste Hoff-
nung, daß die Teilnahme von Vertretern des Volkes an der Gesetzgebung
zur wirtschaftlichen Wohlfahrt des Reiches beitragen und die Einheit Ruß-
lands festigen werde. — Zugleich mit diesem Manifest werden Ukase ver-
öffentlicht, welche die neuen Gesetze betreffend die Bildung der Duma und
des Reichsrats enthalten. Die aus Wahlen hervorgehenden Mitglieder des
Reichsrates werden für neun Jahre gewählt. Alle drei Jahre finden
(ebenso wie in Frankreich bei der Erneuerung des Senats) für ein Drittel
dieser Mitglieder Erneuerungswahlen statt. Jede Semstwoversammlung
eines jeden Gouvernements wählt ein Mitglied. Sechs Mitglieder werden
gewählt von den orthodoxen Synoden, sechs von Vertretern der Akademie
der Wissenschaften und der Universitäten, zwölf von den Vertretern des
Handels, der Börse und der Industrie, 18 von den Vertretern des Adels
und sechs von den als Kongreß in Warschau zusammentretenden Vertretern
der Grundbesitzer in Polen. Die Kongresse von Vertretern des Adels, der
Wissenschaften, des Handels und der Industrie treten zur Wahl ihrer Mit-
glieder im Reichsrate in St. Petersburg zusammen. In den Provinzen
des europäischen Rußland, wo keine Semstwos bestehen, treten an dem
Hauptorte der Provinz die Kongresse der Vertreter der Grundeigentümer
zusammen, um je ein Mitglied des Reichsrates zu wählen. Die Mitglieder
des Reichsrates müssen 40 Jahre alt und im Besitze des Abiturienten-
zeugnisses sein. Der Präsident und der Vizepräsident des Reichsrats werden
vom Kaiser ernannt. Die gewählten Mitglieder des Reichsrats erhalten
während der Tagung eine Entschädigung von 25 Rubel pro Tag. — Die
Sitzungen des Reichsrats wie die der Duma sind öffentlich. Der Schluß
der Debatte kann durch einfache Stimmenmehrheit beschlossen werden. Weder
der Reichsrat noch die Duma haben das Recht, Deputationen zu empfangen
oder Bittschriften entgegenzunehmen. Die Minister können Mitglieder der
Duma sein und haben dann das Recht, ihre Stimmen abzugeben. Die
von den beiden gesetzgebenden Körperschaften angenommenen Gesetze werden
durch den Präsidenten des Reichsrats der Sanktion unterbreitet. Die Mit-
glieder der beiden Körperschaften genießen während der Tagung persönliche
Immunität und dürfen ohne die vorherige Genehmigung des Reichsrats
bezw. der Duma nicht verhaftet werden, es sei denn, daß es sich um die
Ergreifung auf frischer Tat oder um die Verfolgung eines in Ausübung
des Amtes begangenen Vergehens handelt.
7. März. (Finnland.) Der Senat beschließt, daß das all-
gemeine Wahlrecht für Männer und Frauen, die das 24. Lebens-
jahr vollendet haben, eingeführt werden soll. Ausgeschlossen von
der Teilnahme an den Wahlen ist, wer eine Armenunterstützung
genießt, wer nicht in den Steuerlisten steht und wer insolvent ist.
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