Kußland. (Mai 10.) 375
wärtigen Beziehungen des russischen Reiches. Ihm ist die oberste Leitung
der internationalen Politik Rußlands vorbehalten. Der Kaiser erklärt den
Krieg, schließt den Frieden und die Verträge mit den auswärtigen Staaten.
Der Kaiser verfügt die Verhängung des Kriegszustandes und des Zustandes
des außerordentlichen Schutzes über Ortschaften des Reiches. Der Kaiser
ernennt und entläßt den Vorsitzenden des Ministerkonseils, die Minister
und Oberdirigierenden der abgeteilten Ressorts, sowie die anderen Staats-
beamten, wenn für die letzteren durch das Gesetz keine andere Ordnung
ihrer Ernennung und Entlassung vorgeschrieben ist. Die gerichtliche Ge-
walt wird im Namen des Kaisers ausgeübt, dem das Recht zusteht, Ver-
urteilte zu begnadigen und unter Befreiung von Gericht und Strafe zu
amnestieren. Er kann Urteile mildern u. s. w. Der Kaiser allein verleiht
Titel, Orden und Standesvorrechte. Der Kaiser erläßt unmittelbar Ukase
und Befehle, sowohl in bezug auf die seinen persönlichen Besitz bildenden
Güter wie auch in bezug auf die Güter, die Apanagengüter genannt werden
und die, da sie stets dem regierenden Kaiser gehören, nicht vermacht werden,
nicht geteilt werden, noch anderen Arten der Veräußerung unterliegen
können. Sowohl diese wie jene Güter sind steuer- und abgabenfrei. Dem
Kaiser als dem Haupt des Kaiserhauses steht es zu, gemäß dem Statut
über die kaiserliche Familie Verfügungen über die Apanagegüter zu treffen.
Von ihm wird auch die Organisation und der Modus der Verwaltung
der dem Minister des kaiserlichen Hofes unterstehenden Institutionen be-
stimmt. Niemand kann für ein Vergehen anders als in der gesetzlich fest-
stehenden Weise belangt werden. Niemand kann anders als in den gesetzlich
feststehenden Fällen verhaftet werden. Die Wohnung eines jeden ist un-
verletzlich. Ohne Einwilligung des Wohnungsinhabers ist die Vornahme
von Haussuchungen und Konfiskationen nur in den gesetzlich vorgesehenen
Fällen und nach dem gesetzlich vorgesehenen Modus gestattet. Jeder rus-
sische Bürger hat das Recht, seinen Wohnort und seine Beschäftigung frei
zu wählen, Eigentum zu erwerben und zu veräußern und sich unbehindert
aus den Grenzen des Reiches zu entfernen. Ausnahmen hiervon werden
in Spezialgesetzen festgelegt. Russische Untertanen haben das Recht —
friedlich und ohne Waffen — Versammlungen abzuhalten, sofern sie nicht
den Gesetzen widersprechen. Jeder kann, innerhalb der vom Gesetz ge-
zogenen Grenzen, mündlich und schriftlich seine Gedanken zum Ausdruck
bringen und sie durch den Druck oder auf anderem Wege verbreiten.
Russische Untertanen haben das Recht, Vereine und Verbände zu gründen,
deren Ziele den Gesetzen nicht widersprechen. Russische Untertanen genießen
Freiheit des Glaubensbekenntnisses. Die Bedingungen für die Benutzung
dieser Freiheit werden vom Gesetze bestimmt. Reichsrat und Reichsduma
werden jährlich durch Erlasse des Kaisers einberufen. Die Dauer der jähr-
lichen Sessionen des Reichsrates und der Reichsduma, sowie die Dauer
der Intervallen im Laufe eines Jahres werden durch Allerhöchste Erlasse
festgesetzt. Die in Ausübung der obersten Regierungsgewalt oder direkt
vom Kaiser erlassenen Ukase und Befehle des Kaisers werden vom Vor-
sitzenden des Ministerrates nur oder von dem betreffenden Minister oder
dem Oberdirigierenden des besonderen Verwaltungszweiges gegengezeichnet
und vom Dirigierenden Senat veröffentlicht.
10. Mai. Der Zar ernennt Goremykin zum Ministerpräsi-
denten, Stoljpin zum Minister des Innern, Kokowzow zum Finanz-
minister und den Fürsten Schirinski Schachmatow zum Ober-
prokurator des heiligen Synods.