48 Nas Veuische Reich und seine einjelnen Glieder. (Februar. März 1.)
keit beginnt. Das würde zu unabsehbaren Konsequenzen führen. Der
Vorredner sprach zwar nur von Fällen der Bedürftigkeit, aber aus dem
Antrag geht das nicht klar hervor. Nach unserer Schätzung würde nach
diesem Antrage von 1906 eine Mehrausgabe von 27 Millionen Mark zu
erwarten sein. (Große Bewegung.) Wie wollen wir bei unserem Defizit
diesen Mehrbedarf decken? Welchen Widerstand hat nicht jeder Versuch,
das Gleichgewicht in unserem Haushaltsetat wiederherzustellen, gefunden!
Es ist sehr leicht, für populäre Zwecke Ausgaben zu fordern, aber schwer,
sie zu decken. Ich hätte es kaum für möglich gehalten, daß die Bestrebungen
zur Sanierung des Reichsbudgets durch einen solchen Antrag durchkreuzt
werden würden. Der § 7 des Antrages deckt sich des Inhalts nach voll-
ständig mit dem § 2 der Novelle zum Invalidenfondsgesetz. Der ganze
Antrag ist zu einem Teil überflüssig und gegenstandslos und zum anderen
Teil so bedenklich, daß ich meinerseits nicht in der Lage bin, ihn den ver-
bündeten Regierungen zur Annahme zu empfehlen.
Abg. Itschert (3.) hält die Unterstützungsgrenze von 600 Mark
für unpraktisch, weil die Summe in den verschiedenen Landesteilen ganz
verschiedenen Wert habe. Der Antrag müsse in der Budgetkommission auf
seine Durchführbarkeit geprüft werden. Abg. Bock (Soz.): Die Unterstützung
der armen Veteranen sei dringend nötig, zumal für die Offiziere so viel
ausgegeben worden sei; man solle nicht nur 120, sondern 365 Mark be-
willigen. Die Kosten könne man durch Beschränkung der Schiffsbauten
aufbringen, denn nicht auf die Zahl der Schiffe, sondern auf die Besatzung
komme es an. Woher solle aber eine begeisterte Besatzung kommen, wenn
man die Veteranen verhungern lasse? Abg. Graf Oriola (nul.) polemisiert
gegen den Vorredner, dessen Partei noch nichts für die Veteranen geleistet
habe. Der Antrag gehe in mehreren Punkten zu weit, verdiene aber ge-
naue Prüfung. Abg. Arendt (RP.): Es handle sich nicht nur um eine
Finanz-, sondern um eine Ehrenfrage des Deutschen Reichs, daher müßte
das Geld geschafft werden. Abg. Bargmann (fr. Vg.) und Abg. Pott-
hoff (fr. Vg.) stimmen der Tendenz des Gesetzes zu. — Der Antrag geht
an die Budgetkommission.
Februar. März. Gegen den Staatssekretär des Innern Graf
Posadowsky wird in konservativen und agrarischen Kreisen lebhaft
agitiert, weil er sich immer mehr als Gegner der Landwirtschaft
zeige. Ebenso wird seine Stellung zur Sozialpolitik (S. 26) scharf
kritisiert.
1. März. (Preußen.) Der Erzbischof von Gnesen befiehlt
den Geistlichen aus dem Verein deutscher Katholiken auszutreten,
weil der Verein auf unkatholischer Grundlage aufgebaut sei. —
Der Vorstand protestiert, der Erzbischof sei durch Verleumdungen
und falsche Anschuldigungen falsch berichtet.
1. März. (Preußen.) Erschwerung der Fleischeinfuhr aus
Rußland.
Eine Verordnung des Landwirtschaftsministers ordnet an, daß die
Einfuhr von Schweinefleisch aus Rußland verboten ist, mit Ausnahme des
Fleisches, welches nach dem Fleischbeschaugesetz vom 3. Juni 1900 als „zu-
bereitet“ anzusehen ist. Solches Fleisch darf unter den im Reichsviehseuchen-
gesetz vom 1. Mai 1904 und im preußischen Ausführungsgesetz vom 22. Julie