82 Das Denisihe Reih und seine einjeluen GElieder. (März 30./April 3.)
als ob ich den mehr formalen Fragen der Organisation eine übertriebene
Bedeutung beimessen wollte. Ich habe gesagt, daß auch die beste Organi-
sation nur wirksam ist nach dem Geiste, von dem sie getragen und geleitet
wird. Ich habe aber hinzugefügt, daß eine veraltete und unzulängliche
Organisation großen Schaden anzurichten vermag; eine veraltete und unzu-
längliche Organisation kann die besten Absichten lähmen. Sie kann alle
Initiative in Fesseln schlagen, sie kann dahin führen, daß nützliche Kräfte
nutzlos verbraucht werden. Alle diejenigen, die mit unserer heutigen Ko-
lonialorganisation zu arbeiten haben, sind übereinstimmend der Ansicht,
daß diese veraltet, unzulänglich und reformbedürftig ist. Wir alle hoffen,
daß dieses hohe Haus der nach gewissenhaftester Prüfung für die Förderung
der Reichsgeschäfte wie im Interesse einer sachgemäßen Führung der aus-
wärtigen und kolonialen Geschäfte als unabweisbar und unausschiebbar
erkannten Reform seine Zustimmung nicht verweigern wird. Und schließ-
lich, meine Herren, möchte ich noch einen Punkt betonen. Es liegt mir
durchaus fern, Entscheidungen dieses hohen Hauses oder einzelner Frak-
tionen irgendwelche persönlichen Motive unterzuschieben. Ebenso falsch
wie die Behauptung, als ob wegen des Staatssekretärs eine Reichskanzler-
krisis ausgebrochen sei oder ausbrechen werde, ist sicherlich auch nach meiner
Ueberzeugung die Behauptung, als ob hier aus persönlichen Gründen einer
an sich berechtigten Forderung Widerstand geleistet würde. Dem gegen-
über erkläre ich ausdrücklich, daß ich bei allen Teilen dieses hohen Hauses
nur sachliche Beweggründe voraussetze. Um so mehr hoffe ich, daß die
zweifellose Begründung und das Schwergericht dieser sachlichen Gründe
Sie zu einem zustimmenden Votum führen mögen, um welches ich wieder-
holt bitte. (Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Müller-Sagan (fr. Vp.): Ich befürchte von einem Kolonial-
staatssekretariat die einseitige Begünstigung kolonialer Interessen, wie eine
Verstärkung des persönlichen Regiments, die wir mit aller Entschiedenheit
zurückweisen müssen. Von diesem Standpunkt habe ich meine Stellung in
der Kommission genommen. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß nach
den bisherigen schlechten Erfahrungen mit den Ressortverhältnissen sehr
wohl an eine Aenderung gedacht werden kann. Es handelt sich nur darum,
ob das Kolonialamt sachgemäßer durch einen Staatssekretär oder Unter-
staatssekretär vertreten werden soll. Das ist keine Prinzipien= sondern eine
Zweckmäßigkeitsfrage, und aus Zweckmäßigkeitsgründen werde ich für einen
selbständigen Staatssekretär stimmen. Abg. Spahn (3.): Der jetzige
Kolonialdirektor hat schon eine große Selbständigkeit. In allen Organi-
sationsfragen hält er dem Reichskanzler Vortrag und unterzeichnet die von
seiner Abteilung ausgehenden Schriftstücke selbständig. Es ist also nicht
nötig, ihm noch größere Befugnisse zu übertragen. . Die entscheidende
Frage bleibt die Frage des Auseinanderreißens des Auswärtigen Amtes
und der Kolonialverwaltung mit Bezug auf die auswärtige Politik. Wie
man über diese Frage denken soll, das ist eine Frage des Gefühls. Ein
mathematischer Beweis wird sich weder für die eine noch für die andere
Absicht erbringen lassen. Mich haben die Ausführungen, die heute vor-
getragen sind, nicht von der Ueberzeugung abbringen können, die ich schon
vor zwei Jahren gehabt habe, daß gerade von diesem Gesichtspunkte aus
schwerwiegende Bedenken gegen die Trennung vorliegen. — Am 30. wird
der Posten des Staatssekretärs mit 127 gegen 110 Stimmen angenommen.
30. März'z. April. (Reichstag.) Militäretat. Mißhand-
lungen und Beschwerderecht. Duellfrage.
Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) beantragt: Den Reichskanzler zu