Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das NVeutsee Reich und seine eintelnen Glieder. (März 8.) 87 
schaffen. Eine Reihe großer Meister haben auch aus eigener Initiative 
mustergültige Einrichtungen geschaffen. 
Die verschiedensten Verwaltungen des Reiches und Preußens kommen 
dem Handwerk weit entgegen. Die beteiligten Ressorts haben Anweisungen 
ergehen lassen, in allen Fällen möglichst das Handwerk zu berücksichtigen. 
Ich erinnere nur daran, daß den notleidenden Handwebern in Schlesien 
sowohl die Militär-- wie die Marineverwaltung in hohem Maße zu Hilfe 
gekommen ist. Auch in den einzelnen Fällen, wo Beschwerden kamen, 
waren die Ressorts bemüht, Abhilfe zu schaffen. Auch die Handwerks- 
kammern haben mir wiederholt anerkannt, daß die Heeresverwaltung zahl- 
reiche Bestellungen direkt bei Handwerkern aufgibt. Die Frage der Unter- 
scheidung zwischen Fabrik und Handwerk ist nicht einfach zu lösen. Es 
schweben hierüber noch Verhandlungen zwischen den Ressorts, von denen 
ich ein günstiges Ergebnis erhoffe. Ich würde es für richtig halten, wenn 
in Preußen das Oberverwaltungsgericht die entscheidende Stelle bildete. 
Einen Wohnungsgesetzentwurf haben der Minister des Innern und ich 
bei unserm Amtsantritt vorgefunden; wir haben eine Umarbeitung ver- 
sucht; im allgemeinen sind wir uns über ihn einig, und es wird zu er- 
wägen sein, ob wir ihn schon im nächsten Herbste dem Landtage vorlegen 
können oder nicht. Es freut mich, daß Herr Dr. Schroeder meine An- 
ordnungen in betreff der Feststellung des Zustandes der Rentenempfänger 
im großen und ganzen gebilligt hat. Herr Dr. Crüger meint dagegen, 
es handle sich um ein bureaukratisches Machwerk, das nicht auf praktischen 
Erfahrungen beruht. Das ist ein Irrtum. Ich habe schon als Assessor 
an der Durchführung der Sozialpolitik mitgearbeitet und habe später auch 
als Landrat und als Dezernent des Oberpräsidenten von Danzig Gelegen- 
heit dazu gehabt. Gerade der Umstand, daß fast niemand den Renten- 
bewerber sieht, ist die Ursache einer Menge unzutreffender Entscheidungen. 
Deshalb soll nach meiner Anordnung mindestens die Lokalstelle den Renten- 
empfänger sehen und beraten sein von einem erfahrenen Arzte. Das Maß 
der sozialpolitischen Laften wird immer größer und damit wächst auch die 
BVerpflichtung der Behörden, dafür zu sorgen, daß nur da die Rente be- 
willigt wird, wo die Voraussetzungen dafür vorliegen. (Sehr richtig! rechts.) 
Auch in den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ist es absolut not- 
wendig, daß der Vorsitzende der Sektion den Bewerber sieht. Ich habe 
mir als Landrat in allen Fällen die Leute vorgeladen. Im übrigen sind 
gegen meine Anordnungen bisher nur eine oder zwei Beschwerden ein- 
gelaufen. Die ganze Arbeit kann ja in etwa zwölf Sitzungen im Jahre 
erledigt sein. Ueberflüssige Untersuchungen bei offensichtlichen Renten- 
ansprüchen dürften sich ohnehin vermeiden lassen. 
Von dem Genossenschaftswesen für das Handwerk verspreche ich mir 
eine gesunde, erziehliche Wirkung in dem Falle, daß es auf leistungsfähiger, 
wirtschaftlicher Basis steht. Konsumvereine sind da notwendig, wo große 
Arbeitermengen außerhalb der Städte angesiedelt werden, und ich halte es 
auch für richtig, daß dann die Beamten an der Verwaltung dieser Vereine 
teilnehmen. In größeren Orten sollten die Beamten nur dann die Ver- 
waltung übernehmen, wenn sich andere Personen nicht finden. Die Beamten 
selbst zu hindern, eine unbesoldete Tätigkeit auszuüben oder selbst sich 
zu Beamtenvereinen zusammenzuschließen, ist mir ganz unmöglich. Das 
wäre ein zu starker Eingriff in die persönliche Freiheit. Die kleinen 
Meisterkurse unterstützen wir nach wie vor. Ebenso wichtig ist es aber, 
daß auch kaufmännische Kurse weiter eingerichtet werden. Denn in der 
Errichtung von Handels-Hochschulen müssen wir Maß halten, so vorzüglich sie 
sich auch bewähren, denn es ist ja dem Gros der kaufmännischen Angestellten
	        
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