Das Venische Reich unb seine einelnen Glieder. (Maärz 22. 24.) 109
und endlich ist es für die Klärung der Lage besonders bedeutsam, daß
diejenigen Gegenstände namentlich verzeichnet sind, die unter keinen Um-
ständen als Kriegskonterbande angesehen werden dürfen. Die Bestim-
mungen über die Zerstörung neutraler Prisen tragen dem berechtigten
Handel der Schiffahrt möglichst Rechnung und setzen die Bedingungen fest,
unter denen für ungerechtfertigte Zerstörung Entschädigung zu zahlen ist.
22. März. (Potsdam.) Graf von Perponcher-Sedlenitzky,
der ehemalige Oberhof= und Hausmarschall Kaiser Wilhelms I., 1,
88 Jahre alt.
22. März. (Reichstag.) Erklärung des Staatssekretärs
v. Schoen in der Budgetkommission zur Frage der deutsch-englischen
Verständigung über das Flottenprogramm:
„Die englische Regierung gab zwar ihre Bereitwilligkeit zu einer
deutsch-englischen Verständigung über Umfang und Kosten eines Flotten-
programms in allgemeiner Weise zu erkennen, stellte aber keinen dahin-
gehenden formellen Antrag. In unverbindlichen Gesprächen, die über
diese Frage zwischen maßgebenden deutschen und englischen Persönlichkeiten
stattfanden, ist niemals ein englischer Vorschlag hervorgetreten, der nach
unserer Auffassung als Basis für amtliche Verhandlungen hätte dienen
können. Im Verkehr zwischen befreundeten Regierungen pflegt vermieden
u werden, formelle Anträge zu stellen, deren Berücksichtigung zweifelhaft er-
ccheint. Die englische Regierung hat es wohl aus diesem Grunde ver-
mieden, einen formellen Antrag an uns zu richten, und wir haben daher
keine Stellung zu einem solchen Antrag zu- nehmen gehabt. Die Gründe
für unsere abwartende Haltung gegenüber dem Gedanken einer allgemeinen
Einschränkung der Rüstungen zur See sind am 10. Dezember 1908 vom
Reichskanzler im Reichstage dargelegt worden. Sie gelten selbstverständlich
auch für etwaige Abmachungen unter einzelnen Mächten. Unser gesetzlich
festgelegter Flottenbau ist ausschließlich nach unserm eigenen Schutzbedürfnis
bemessen und stellt keine Bedrohung irgendeiner Nation dar, wie schon
wiederholt von uns betont worden ist.“
Im weitern Verlaufe der Sitzung drückte der Staatssekretär nach
einigen vertraulichen Mitteilungen die Freude aus, daß die gesamte
Kommission die Hoffnung ausgesprochen habe, daß die deutsch-englischen
Beziehungen unbeirrt durch gelegentliche Erregung über den Flottenausbau
in England sich in freundlichem Sinne weiter entwickeln würden, wie dies
der Wunsch des gesamten deutschen Volkes sei. Die Kommission nahm
die Worte mit mehrfachen Bravo-Rufen entgegen.
24. März. (Reichstag.) Wendung in der Reichsfinanz-
reform.
In der Finanzkommission wird über den neuen Branntweinsteuer-
Entwurf verhandelt. Die Kontingenzspannung ist darin für die nächsten
5 Jahre auf 15 Mark und dann dauernd auf 10 Mark festgelegt. Die
Freisinnigen verlangen weitere Herabsetzung von 5 zu 5 Jahren bis auf
5 Mark; die Konservativen wollen die jetzt geltende Spannung von 20
Mark noch 5 Jahre beibehalten und sie dann auf 15 Mark festlegen. Da
bringt plötzlich das Zentrum den Antrag ein, die Spannung von 20 Mark
zu verewigen.
Während dieser Berhandlungen über die Liebesgabe an die Brannt-
weinbrenner hat der konservative Abgeordnete v. Normann den Führer