Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Penisqe Reit und seine einjelnen Slieder. (März 26., 111 
„Herr v. Normann ist offenbar der Meinung, daß es ohne Zer- 
störung des Blocks möglich ist, die Finanzreform mit dem Zentrum oder 
mit wechselnden Mehrheiten zu machen. Das ist ein Irrtum. Herr v. 
Normann lehnt die Deszendentensteuer und das Gampsfche Kompromiß ab: 
das ist der Kern der Eröffnungen und damit entfällt die Möglichkeit, die 
Finanzreform mit den Liberalen zu machen. Das Herumreden von an- 
geblichen Mißverständnissen nützt nichts. Wenn der Block die Finanz- 
reform nicht machen kann, ist er erledigt, dann erhält das Zentrum die 
Führung und muß sie erhalten, da die Finanzreform fertiggestellt werden. 
muß. Die Liberalen werden bei den einzelnen Gesetzen mitarbeiten, sie 
nach ihren Anschauungen verbessern, aber da ihr Verlangen nach einer 
Heranziehung des Besitzes nicht erfüllt werden kann, werden sie am letzten 
Ende die Steuergesetze ablehnen müssen. Der Block ist damit durch die 
Schuld der Konservativen erledigt.“ 
26. März. (Reichstag.) Bei der zweiten Beratung des 
Automobilhaftpflichtgesetzes führt Prinz zu Schönaich-Carolath an, 
daß in dem Jahre vom 1. Oktober 1907 bis zum 1. Oktober 1908 
durch Automobile 2630 Personen verletzt und 141 Personen ge- 
tötet wurden. 
26. März. Zur Krise im Orient. 
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt: Nach telegraphischen 
Meldungen aus Paris behauptet der „Temps“: 1. Se. Majestät der Kaiser 
habe in einem Brief an den Kaiser von Rußland darauf bestanden, Ruß- 
land dürfe über seine Absicht, die Annexion von Bosnien und der 
Herzegowina anzuerkennen, keine Zweifel lassen; 2. Se. Majestät der 
aiser habe in einem andern Briefe dem Erzherzog Franz Ferdinand 
seine Unterstützung ohne Vorbehalt zugesagt. Beide Behauptungen sind 
falsch. Die beiden angeblichen Briefe Kaiser Wilhelms sind nicht ge- 
schrieben worden. 
26. März. (Reichstag.) Kiautschou in der Budgetkommission. 
Der Berichterstatter stellt den andauernden Aufschwung des Handels 
fest und den nun wohl allgemein anerkannten Wert der Kolonie als Stütz- 
punkt des Handels mit China. Dem Mitberichterstatter antwortete Staats- 
sekretär v. Tirpitz in längerer Rede. Dem Wunsche nach Sparsamkeit sei 
auch beim Etat von Kiautschou nach Möglichkeit entgegengekommen. Trotz 
des Antrags zur Einrichtung der Chinesenschule sei der Etat um eine 
halbe Million niedriger als im Vorjahre. In fünf Jahren sei er um 
sechs Millionen verringert worden. Die vielfache Mutlosigkeit draußen 
wie in Deutschland in Bezug auf Kiautschou könne er nicht teilen. Er 
sei überzeugt, daß sich die pessimistische Auffassung bald wieder verflüchtigen 
werde. Der Staatssekretär schildert darauf eingehend die Verhältnisse in 
Ostasien vor und zu der Zeit der Pachtung Kiautschous. In Kiantschon 
wäre im Laufe der Jahre eigentlich viel Geld hineingesteckt, aber auch 
nach ausländischen Urteilen sei für die ausgewendeten Summen sehr viel 
geleistet worden. In erster Linie sei dadurch möglich gewesen, daß die 
olonie mit ihrer Verwaltung an eine bereits bestehende Organisation 
ohne weiteres habe angeschlossen werden können. Tsingtau sei in einem 
Zeitraum von 11 Jahren aus einem öden armen Dorf zu der siebenten 
Handelsstadt Chinas unter vierzig europäischen Settlements emporgestiegen. 
Hongkong habe man 15 Jahre nach seiner Erwerbung wieder aufgeben 
wollen. Diese englische Kolonie beziehe im übrigen noch 15 Millionen
	        
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