114 Das NVeutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 29.)
bestätigt. Nach keinem andern Lande exportiert Großbritannien so stark,
wie nach dem Deutschen Reiche. Die britischen Erzeugnisse, die nach
Deutschland gehen, beliefen sich im Jahre 1898 auf 22,5 Millionen Pfund
Sterling, im Jahre 1907 schon auf 41,4 Millionen Pfund Sterling. Im
Durchschnitt der Jahre 1898 bis 1907 fanden 27,6 Millionen Pfund Sterling
oder 9 Prozent der Gesamtausfuhr britischer Erzeugnisse in Deutschland
Absatz. Die Vereinigten Staaten von Amerika nahmen 7½⅛ Prozent, Frank-
reich 5,6 Prozent der britischen Ausfuhr auf. Großbritannien ist für uns
das wichtigste aller der Länder, mit denen wir Handel treiben. Der ge-
samte Umsatz Deutschlands mit Großbritannien erreichte 1907
einen Wert von 2730000000 Mark, der Durchschnittswert in den letzten
Jahren betrug 1600000000 Mark. Mit Großbritannien und seinen Kolonien
war 1907 der gesamte Umsatz 3080000000 Mark, Deutschland bezog von
Großbritannien von 1898 bis 1907 jährlich rund Waren für 680000000
Mark, darunter waren für 97,4 Millionen Steinkohlen, für 84 Millionen
Wollgarne, für 59 Millionen Baumwollgarne und für 26½ Millionen
Roheisen. Von der deutschen Ausfuhr nimmt kein Land so viel auf
wie Großbritannien. Nun weiß ich wohl, daß es wie bei uns so auch in
einem politisch so reifen Volke wie dem englischen nie an Fanatikern
fehlen wird, die keinen Blick haben für die Gesamtheit und für die große
Interessengemeinschaft zwischen dem deutschen Volke und dem englischen.
Ich bin aber der festen Zuversicht, daß es ihnen nicht gelingen wird, einen
Einfluß auf das politische Denken der britischen Nation zu gewinnen. Die
Eindrücke, die ich während des Berliner Besuches in einer Reihe von
politischen Unterredungen gewonnen habe, bestärken mich in dieser Zu-
versicht, der ich nicht zum ersten Male von dieser Stelle Worte verleihe.
(Sehr gut! rechts.)
Ueber das Abkommen, das wir mit der französischen Regierung
wegen Marokkos abgeschlossen haben, glaube ich Sie am kürzesten orien-
tieren zu können, wenn ich Ihnen in dieser Beziehung folgenden, am
25. Januar d. J. an die gesamten Vertreter der Regierungen im Aus-
lande gerichteten Erlaß verlese: „Die deutsch-französischen Reibungen der
letzten Jahre wegen Marokkos haben auch auf die sonstigen Beziehungen
beider Länder zueinander und damit auf deren Verhältnis zu andern
Nationen und auf die allgemeine politische Lage ungünstig eingewirkt.
Da die praktische Bedeutung der von beiden Teilen verfochtenen und
widersprechenden Auffassungen nicht im Verhältnis stand zu dem angerich-
teten Schaden, so war beiderseits das Bedürfnis nach Beseitigungen des
Gegensatzes seit einiger Zeit hervorgetreten. Abgesehen von dieser Er-
wägung hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß der bisherige
Zustand ein Hindernis bildet für die gedeihliche Entwickelung der beider-
seitigen Interessen und für die Aufschließung von Marokko selbst.“ Das
Abkommen besagt, daß beabsichtigt sei, den bisherigen Zustand zu ändern.
Diese Vereinbarung sichert Frankreich, als dem höher zivilisierten Nachbar-
lande Marokkos, das an der Erhaltung von Ruhe und Ordnung besonders
interessiert ist, einen nicht unberechtigten politischen Einfluß. Deutschland
aber sichert das Abkommen eine Beteiligung von Handel und Gewerbe
sowie die Möglichkeit, sich an der gleichen Betätigung französischer Kreise
zu beteiligen und aus deren Errungenschaften Nutzen zu ziehen. Das
Abkommen will eine gemeinsame Arbeit zur Erschließung des Landes
erreichen. Diese Bestrebungen haben bereits in der letzten Zeit hier und
dort praktische Formen angenommen. Eine streng loyale Durchführung
des Abkommens ist gesichert worden. Es freut mich, daß der Widerspruch
gegen dieses Abkommen in beiden Ländern gering war und gegen die fast