Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

130 Das Pentsqhhe Reit und seine einzelnen Glieder. (April 11. 13.) 
Besteuerung der Genußmittel, der wir im wesentlichen zustimmen, trifft uns 
Landwirte bei Tabak, Bier, Branntwein u. dgl. nicht bloß als Verbraucher 
dieser Dinge wie alle anderen Staatsbürger, sondern auch als Hersteller der 
Rohstoffe, aus denen sie bereitet werden, als Anbauer von Kartoffeln, Tabak, 
Gerste und Hopfen. Wir sind auch einverstanden, daß der größere Besitz und 
der mühelose Erwerb zu höheren Leistungen für die Allgemeinheit heran- 
gezogen werden, aber wir widerstreben einer solchen Besteuerung, die not- 
wendigerweise den unbeweglichen Besitz, das Haus in der Stadt, das Ge- 
schäft und die Werkstatt so gut wie das Anwesen auf dem Lande stärker 
treffen muß als den oft so viel reicheren Besitz an beweglichem Kapital, 
der sich leicht der Besteuerung entziehen kann und dies nach Erfahrungen, 
die anderwärts mit der Nachlaßsteuer gemacht sind, auch dort getan hat. 
Wir widerstreben einer Besteuerung, die nicht den Besitz der Lebenden, 
sondern die Hinterlassenschaft der Toten trifft, die die Familie belastet in 
einem Augenblick, in dem sie durch den Tod des Vaters oder der Mutter 
oder des Gatten nicht nur in Trauer versetzt, sondern meist auch in eine 
wirtschaftlich ungünstigere Lage geraten ist. 
11. April. (Sachsen.) Das Abschiedsgesuch des erkrankten 
Grafen v. Hohenthal, Ministers des Innern und der auswärtigen 
Angelegenheiten, erhält die königliche Genehmigung für 1. Juli. 
Zu seinem Nachfolger ist der sächsische Gesandte in Berlin Graf 
Vitzthum v. Eckstädt in Aussicht genommen. 
11. April. Der italienische Minister des Auswärtigen Tittoni 
besucht den Reichskanzler Fürsten Bülow im „Hotel Britannia“ 
in Venedig. 
13. April. Der Kaiser und die Kaiserin reisen mit Prinz 
Oskar und Gefolge von Potsdam nach Venedig ab. 
13. April. (Berlin.) Dr. Barth veranstaltet einen Dele- 
giertentag seiner „Demokratischen Vereinigung“. 
Es wird folgende Resolution angenommen: „Das Ziel aller Be- 
strebungen der Demokratischen Vereinigung ist die konsequente Demokrati- 
sierung der öffentlichen Einrichtungen in Reich, Staat und Gemeinde. 
Diese Demokratisierung erfordert vor allem die Durchführung des Prinzips 
der vollsten staatsbürgerlichen Rechtsgleichheit, die Durchführung einer Re- 
gierung, bei der der Volkswille in letzter Linie entscheidend ist, sowie die 
Verwirklichung der Grundsätze einer aufrichtigen Selbstverwaltung. Im 
Verkehr mit anderen Völkern verfolgt die Vereinigung das Ziel der Rege- 
lung aller entstehenden Differenzen auf schiedsgerichtlichem Wege und die 
internationale Verständigung über das Maß der Rüstungen zu Wasser 
und zu Lande. In allen sozialen Fragen vertritt sie den Schutz der Per- 
sönlichkeit gegenüber allen Vergewaltigungen der politischen und wirtschaft- 
lichen Machthaber. Diese demokratischen Ziele werden sich nur im Zu- 
sammenwirken mit den breiten Massen der Arbeiter, insbesondere auch mit 
der in der Sozialdemokratie organisierten Arbeiterschaft erreichen lassen. 
Deshalb kein Block und keine Verständigung mit irgend einer reaktionären 
Partei, sondern rücksichtsloser und unablässiger Kampf gegen alle poli- 
tischen Träger und Begünstiger einer agrarischen sowie industriellen Kom- 
munalherrschaft.“
	        
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