Das Dentsqe Reit und seine einzelnen Glieder. (April 20.) 137
schlag der verbündeten Regierungen betreffs des Zwischenhandels des Reiches
mit Branntwein a limine abzulehnen. Mehr und mehr zeigt die Debatte
daß hier der von der Regierung vorgeschlagene Weg am besten zum Aus-
gleich führt zwischen den finanziellen Interessen des Reiches und den In-
teressen der Produzenten. Die doktrinäre Verfechtung eines Prinzips kann
uns hier nicht weiter bringen. Das Schlagwort: „Wider alle Monopole“
verliert seine Bedeutung im Zeitalter der Kartelle und Trusts. Heute
darf die Parole nicht lauten: Für unbedingte Gewerbefreiheit und gegen
das Monopol, sondern sie hätte lauten sollen für das Staatsmonopol statt
des Privatmonopols, für das Staatsmonopol, das 100 Millionen, die wir
als Steuerertrag vom Branntwein allseitig erwarten, am schonendsten auf-
bringen kann, die sogenannte Liebesgabe beseitigen und allen Interessenten
gleichmäßig gerecht werden würde.
Und wie steht es mit dem Ausbau der Erbschaftsabgaben? Hier
ist es nicht so sehr die nüchterne Betrachtung der realen Tatsachen gewesen,
die große und angesehene Kreise im Lande zu ihrer bisherigen ablehnenden
Haltung veranlaßt hat, vielmehr haben Besorgnisse hineingespielt, die sorg-
fältiger Prüfung nicht standhalten sollten. Ich gebe die Hoffnung nicht
auf — und Ihre Kundgebungen bestärken mich hierin —, daß auch die
Landwirtschaft erkennen wird, daß sie sich mit der Ausdehnung der Erb-
schaftsbesteuerung wird abfsinden können. Auf der Nachlaßsteuer werden
die verbündeten Regierungen nicht bestehen. Da aber der Besitz nach fast
allgemeiner Uebereinstimmung in Höhe des aus der Nachlaßsteuer veran-
schlagten Betrages an den neuen Steuern beteiligt sein muß und eine
andere gerechte, zweckmäßige und leicht ertragreiche Besitzsteuer mit besserer
Aussicht auf Annahme im Reichstage zurzeit nicht vorgeschlagen werden
kann, so müssen wir an der Ausdehnung der Abgaben auf die nächsten
Berwandten in der Form einer Erbschaftsanfallsteuer festhalten. Auch der
Landwirtschaft nahestehende Autoritäten geben ja zu, daß die vorgeschlagenen
Sätze ertragen werden können und daß die landwirtschaftlichen Interessen
schon in den Regierungsvorschlägen berücksichtigt worden sind. Werden
doch zwei Drittel bis drei Viertel der deutschen Landwirte von der Steuer
überhaupt nicht betroffen. Die Landwirtschaft sollte aber auch nicht ver-
essen, daß sie unter einer Gesetzgebung lebt, die mit der größten Gewissen-
bostigreir ihre Gesamtinteressen fördert und am Herzen trägt. Ich per-
sönlich nehme es durchaus nicht leicht, in dieser Frage mich in Widerspruch
mit so manchem alten Freunde zu befinden. Aber auch nach reiflichster
Erwägung kann ich von der Auffassung nicht abgehen, daß die erweiterte
Erbschaftssteuer ein Opfer an konservativen Grundsätzen nicht involviert.
Ich begrüße es, daß große Teile der konservativen Partei zu derselben
Auffassung gelangt sind, und verweise dafür auf die Beschlüsse der konser-
vativen Partei in Sachsen. Ich meine auch, daß die Stimmen aus dem
Mittelstande bei der Rechten des Reichstages nicht ungehört verhallen
sollten. In keiner Weise aber vermag ich die Bedenken zu teilen, daß
ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenes Parlament, wie der Reichs-
tag, gerade mit der Erbschaftssteuer Unheil stiften könnte. Solange die
Sozialdemokratie nicht Bundesrat und Reichstag beherrscht, solange besteht
nicht die Gefahr konfiskatorischer Ausbeutung dieser Steuer. Sollten aber
einmal die Sozialdemokraten die Geschäfte in die Hand nehmen — in den
nächsten Jahrhunderten wird man das nicht erleben —, so würden die Erb-
schaften daran glauben müssen, ob die Sozialdemokratie die Deszendenten-
besteuerung vorfand oder nicht. Mit dem Vorwurf des Sozialismus soll
man uns also nicht kommen. Vor dem brauchen wir uns so wenig zu
fürchten, wie es Fürst Bismarck tat. Ich bleibe also der Ueberzeugung: