Das Veuische Reich und seine einselnen Glieder. (April 21.) 139
Mark vom Besitz. Bei den Konsumsteuern sollen Branntwein, Bier und
Tabak rund 280 Millionen Mark bringen und weitere 70—80 Millionen
Mark durch die sogenannten Ersatzsteuern, über die sich der Bundesrat
dieser Tage schlüssig machen wird, aufgebracht werden. Die Nachlaßsteuer
wird in eine Erbanfallsteuer umgewandelt. Durchzuführen ist das Werk
noch in dieser Tagung.
Meine Herren! Als vor einem Jahre von diesem oder jenem die
Reichsfinanzreform als eine große nationale Aufgabe bezeichnet wurde, da
haben Routinepolitiker gelächelt und erklärt, es werde nie gelingen, ein
Steuerprogramm populär zu machen, um so weniger, je mehr Steuer-
zohler von den Wirkungen betroffen werden würden. Daß heute die
eichsfinanzreform als nationale Aufgabe nicht nur allgemein anerkannt,
sondern daß sie populär geworden ist, weil man erkennt, daß in ihr eine
Stärkung des Staates nach außen und nach innen und damit auch eine
Förderung unserer wirtschaftlichen Kraft liegt, ein Streben zu höhern
Zielen, dafür sind Sie lebendige Zeugen. Jeder Tag der Verzögerung
bedeutet eine Vermehrung unserer Schulden, einen Verlust an Einnahmen,
eine Erhöhung der Schwierigkeiten, eine Einbuße an Reputation. Die
Arbeit wird den Mitgliedern des Reichstages erleichtert werden, wenn
ihnen aus den verschiedensten Kreisen der Bevölkerung die Versicherung
entgegenklingt, daß sie bei ihrer Pflichterfüllung auf die Bereitwilligkeit
der Oeffentlichkeit rechnen können. Indem Sie, meine Herren, dies hier
und in dieser Stunde mit Würde und Bestimmtheit zum Ausdruck brachten,
haben Sie sich für das große Werk und um das große Vaterland ein Ver-
dienst erworben und sind seines Dankes sicher.“
Die Ausführungen des Reichskanzlers wurden von allen Anwesenden
mit lebhafter Zustimmung aufgenommen und vielfach durch Beifall unter-
brochen. Der Hinweis darauf, daß die Finanzreform noch in dieser Tagung
erledigt werden müsse, wurde mit besonderer Genugtuung begrüßt. Ebenso
fanden die Ausführungen des Fürsten über die Erbanfallsteuer volle Zu-
stimmung, während seine Abwehr des Vorwurfs des Sozialismus mit
Heiterkeit angehört wurde. Zum Schluß ertönten laute Bravorufe. Der
Reichskanzler unterhielt sich sodann mit den Abgeordneten, die er sich noch-
mals einzeln vorstellen ließ.
Mitte April. In Nord-Schleswig finden infolge der schroff
auftretenden dänischen Propaganda einige Maßregelungen statt.
So ist der dänische Staatsangehörige Karl Brömp, der im land-
wirtschaftlichen Betriebe des Landtagsabgeordneten für Hadersleben, Hof-
besitzer Kloppenborg-Skrumsager tätig war, ausgewiesen worden. Er
leitete den dänischen Turnverein in Schattburg im Kreise Hadersleben,
der seine Veranstaltungen in dem dänischen Versammlungshaus abhielt.
Der Musiklehrer Knud Sand in BWester--Satrup erhielt gleichfalls einen
Ausweisungsbefehl, weil er an einer Versammlung sich beteiligte, die über
den Bau eines dänischen Versammlungshauses beraten hatte. Der Lehrer
und Küster Wind in Handewitt, der bei der Wahl eines Kirchenältesten
dem dänischen Kandidaten seine Stimme gab und dadurch die Niederlage
der Deutschen herbeiführte, ist nach Altona versetzt worden.
21. April. (Reichstag.) Der Seniorenkonvent des Reichs-
tags hat zur Förderung der Arbeiten der Finanzkommission be-
schlossen, von nächster Woche ab Dienstags und Donnerstags die
Plenarsitzungen ausfallen zu lassen.