162 Das Hetsche Reiq nud setur einzeiurn Elieder. (Mai 1./2.)
Dann kommt der Antrag der Reichspartei als Eventualantrag zum
Antrage Dietrich zur Abstimmung. Er will in dem Antrag der Konser-
vativen die Bezeichnung der Wertzuwachssteuer als Ersatzsteuer für die
Erbanfallsteuer beseitigen. Dieser Antrag wird abgelehnt gegen Freifinnige
und Nationalliberale.
Für den Hauptantrag, den konservativen Antrag Dietrich, stimmen
die vier Konservativen, acht Hen#rumemitgliedrr und zwei Polen, zusammen
vierzehn; dagegen die vierzehn Mitglieder aller andern Parteien. Der
Antrag ist mit Stimmengleichheit abgelehnt.
Nunmehr kommt der Antrag der Wirtschaftlichen Bereinigung
zur Abstimmung, der eine Resolution darstellt. Der erste Teil, der die
verbündeten Regierungen zur unverzüglichen Ausarbeitung einer Wert-
zuwachssteuer auf Immobilien auffordert, wird einstimmig angenommen.
Der zweite Teil, der sie auffordert, in Erwägungen bHorüber einzu-
treten, wie zum Ausgleich der den Grundbesitz belastenden Wertzuwachs-
steuer eine entsprechende Besteuerung des Zuwachses an beweglichem
Kapitalvermögen erfolgen könne, wird angenommen. (Dagegen stimmen
die Freisinnigen.)
Von dem Antrage der Freisinnigen wird der erste Teil mit Stimmen-
leichheit abgelehnt, der zweite Teil (progressive Vermögenssteuer) wird mit
sechzehn gegen zwölf Stimmen abgelehnt.
Der nationalliberale Antrag wird mit Stimmengleichheit abgelehnt.
Da der einzig angenommene Antrag Raab nur eine Resolution
enthält, so wird beschlossen, die angenommene Resolution nicht direkt ans
Plenum zu geben, sondern das Vorgehen der verbündeten Regierungen
abzuwarten. Zum Berichterstatter wird Abgeordneter Raab (wirtsch. Vgg.)
bestimmt.
Im Namen der Nationalliberalen gibt hierauf Dr. Weber folgende
Erklärung ab:
„Meine politischen Freunde werden sich in der Kommission zwar
an der Weiterberatung über das Branntweinsteuergesetz usw. wie bisher
aktiv und fördernd beteiligen, um in keiner Weise die Reform aufzuhalten,
ohne uns aber dadurch irgendwie zu präjudizieren. Nachdem aber durch
die Ablehnung sämtlicher Anträge auf Einführung einer ausreichenden
Reichsbesitzsteuer, insbesondere auch der nach unserer Ansicht unentbehrlichen
Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Deszendenten und Ehegatten in un-
beerbter Ehe, das Zustandekommen der Reform, die wir nach wie vor als
ein Ganzes betrachten, nach unsern Wünschen kaum erreicht werden kann,
halten meine politischen Freunde es für wünschenswert, in dieser durchaus
veränderten politischen Situation zunächst erneute Instruktionen unserer
Fraktion einzuholen, um hierdurch klar zum Ausdruck zu bringen, daß
wir uns in der Kommission nach keiner Richtung hin festzulegen be-
absichtigen.“
Dr. Wiemer (frs. Vp.) gibt für die linksliberale Fraktionsgemein-
schaft dieselbe Erklärung ab.
Hierauf nimmt Abgeordneter Dr. Spahn (Ztr.) das Wort und
vertritt die Auffassung, daß das Besitzsteuerkompromiß noch in Geltung
sei. Hierauf wird mit allseitigem Lachen geantwortet.
1./2. Mai. Die Krise in der Reichsfinanzreform.
Zur Frage der Reichsfinanzreform schreibt die „Norddeutsche All-
Lmeine Zeitung“ in ihrem Wochenrückblick: „Die Lage ist bitter ernst.
ie Finanzreform, die eine vom deutschen Volke mit größter Entschieden-