Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

192 Haos Veuische Reich und seine einteinen Slieder. (Juni 3. 4.) 
Posadowsky empfiehlt das Zusammengehen aller nichtsozialdemokratischen 
Gewerkschaften. Prof. Dr. Drews (Halle a. S.) gibt in seinem Vortrag 
über „Kirche und Arbeiterstand“ an, daß in Berlin allein in den letzten 
drei Jahren über 17000 Arbeiter aus der Landeskirche ausgetreten seien; 
davon 10000 im letzten Jahre. Der Kongreß nimmt einstimmig eine 
Entschließung zugunsten evangelischer Diskussionsabende an. 
3. Juni. (Baden--Baden.) Der frühere Reichstagsabgeord- 
nete und Herausgeber der Wochenschrift „Die Nation“ Dr. Theo- 
dor Barth f1, 60 Jahre alt. 
4. Juni. (Lübeck.) 17. deutscher Geographentag. 
Folgender Antrag des Oberstleutnants von Moedebeck-Berlin 
findet Annahme: „Der 17. deutsche Geographentag erkennt die Schaffung 
von Luftschiffkarten, die entsprechend den Seekarten der Schiffahrt für die 
Sicherheit des Verkehrs von Luftfahrzeugen jeder Art dienen sollen, im 
Hinblick auf die schnelle Entwickelung der Luftschiffahrt als ein dringendes 
Bedürfnis und ein gemeinnütziges Unternehmen an, dem er nach jeder 
Hinsicht seine Unterstützung zuteil werden lassen wird.“ — Auch der fol- 
gende Antrag wurde angenommen: „Der deutsche Geograpbentag hält es 
für einen sehr bedauerlichen Uebelstand, daß die Veröffentlichungen der 
Ergebnisse auf Kosten des Deutschen Reichs ausgeführter wissenschaftlicher- 
Unternehmungen nur zu sehr hohen Preisen in den Buchhandel gelangen 
und nicht einmal den Staatsanstalten, wie Bibliotheken und Fachinstituten 
der Universitäten, kostenfrei oder zu ermäßigten Preisen überlassen werden, 
wodurch die wissenschaftliche Ausnutzung der auf Kosten der Allgemeinheit 
gewonnenen Ergebnisse ungemein behindert und auf den engsten Kreis 
beschränkt wird. Der Geographentag beauftragt den Zentralausschuß, bei 
den betreffenden Behörden vorstellig zu werden, daß in Zukunft bei der- 
artigen Unternehmungen gleich von vornherein eine Art der Veröffentlichung 
in Rechnung gestellt wird, die es erlaubt, nach dem Muster so vieler 
anderer Staaten eine bedeutende Zahl Exemplare an Staatsinstitute des 
Inlandes, womöglich auch des Auslandes, kostenfrei zu verteilen und den 
Buchhändlerpreis auf ein erschwingliches Maß herabzusetzen.“ 
4. Juni. (Bonn.) Der Kreisverband der „Deutschen Ver- 
einigung"“ wird begründet. 
Der Vorsitzende der Vereinigung Graf von Hoensbroech führt 
etwa folgendes aus: Die Aufgabe der Vereinigung sei in erster Linie, den 
nationalen Gedanken im Volke zu verbreiten. Die VBereinigung wolle 
keine politische Partei sein; sie richte sich gegen keine einzelne Partei als 
solche. Aufgabe der Vereinigung soll sein, den Ausgleich der konfessionellen 
Gegensätze zu fördern. Der konfessionelle Hader hobe seinen Grund in 
der unglücklichen Mischung, die mit der Konfession und der Politik ge- 
trieben werde. Die Zentrumspartei und Presse habe sich insbesondere 
mit der Deutschen Vereinigung befaßt. Da der Kampf nicht gegen ihr 
Programm geführt werden könne, so sei er auf das persönliche Gebiet 
hinübergespielt worden. Der Grundsatz, daß ein treuer Anhänger der 
katholischen Kirche nur der sein kann, der der Zentrumspartei angehört, 
sei politisch verderblich und verkehrt und schädige auch die Kirche direkt 
selbst. Denn die Diener der Kirche würden zu Dienern der Politik herunter- 
gedrückt. Auch der Zustand, daß immer mehr und mehr die Politik in 
die kommunalen Körperschaften hineingetragen werde, sei beklagenswert. 
Es müsse dahin kommen, daß die Deutsche Vereinigung eine Macht werde:
	        
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