208 DPas Veische Reich und seime einzelnen Glieder. (Juni 16.)
(Beifall links.) Die verbündeten Regierungen sind der Ueberzeugung,
daß eine solche Steuer mit gleichem Ertrage nicht gefunden werden kann.
Es mußte auffallen, daß die konservative Partei, die doch über eine reiche
Erfahrung in der Führung der Geschäfte verfügt, sich von Anfang an
ohne Zwang mit solcher Starrheit gegen die Erbschaftssteuer festgelegt hat.
Sie hätte sich ein Beispiel nehmen sollen an der bewährten Taktik einer
ihr nahesitzenden Partei. Haben Sie je einen Sprecher des Zentrums in
erster Lesung ablehnen hören? (Sehr gut! und große Heiterkeit links.)
Wenn auch alle Bedenken hervorgehoben worden sind, so ist niemals von
dieser Seite ein Gesetzentwurf von vornherein abgelehnt worden. Die
Zentrumspartei hat nie von Anfang an einen Gesetzentwurf in Grund
und Boden geredet. Es kann ein Gebot der Vorsicht, der staatsmännischen
Klugheit sein, sich gegen unsympathische Gesetzentwürfe erst dann festzulegen,
wenn klar zutage liegt, daß sie ohne Verletzung höherer Staatsinteressen
vermieden werden kann.
Ich gebe gern zu, Ihr Verhalten (nach rechts) ist vielleicht durch-
aus konsequent. Aber es ist ein Irrtum, zu glauben, daß Konsequenz
auch politische Fehler rechtfertige. Man kann sie machen, man kann aber
auch, um das Gute für die Zukunft sicherzustellen, sich vorderhand mit
weniger Wünschenswertem begnügen. Der Sieg der Gegenwart ist häufig
der Pfad zu Niederlagen in der Zukunft. (Sehr wahr! links.) Das ist
eine Wahrheit, die die Geschichte überall in allen Ländern und zu allen.
Zeiten bestätigt. Ich verkenne nicht — das wiederhole ich —, was die
Elemente, aus denen die konservative Partei besteht und die das Rückgrat
der konservativen Partei bilden, jahrhundertelang für Preußen geleistet
haben. Ich weiß wohl, was Preußen bedeutet. Unter der Führung der
Monarchie ist durch die Junker (Widerspruch links) — jawohl, durch die
mit Unrecht so viel geschmähten Junker — die preußische Macht auf-
gerichtet worden und von der preußischen Macht das Deutsche Reich.
(Rufe links: Jenal) Mehr als eine andere Partei haben die Konservativen
Anteil gehabt an der Regierung. Aber die Regierung kann nicht zur
Geschäftsführung der konservativen Partei werden (Beifall links), ebenso-
wenig kann die Regierung verlangen, daß die konservative Partei eine
Regierungspartei sans phrase werden soll. Die Zeiten des alten Gerlach,
der von der konservativen Partei sagte: Mit der Regierung voll Mut,
ohne die Regierung in Wehmut, gegen die Regierung in Demut sind
vorüber. (Heiterkeit.) Das sind Tempi passati. Aber der eminente eng-
lische Staatsmann Salisbury hat einmal gesagt: England, das Musterland
und das Vorbild aller Parlamente, wird nicht zugrunde gehen, es sei denn
durch sein Parlament. So ist es auch mit der konservativen Partei. Durch
ihre eigene Schuld gräbt sich die konservative Partei ihr eigenes Grab,
wenn sie sich berechtigten Forderungen verschließt, wenn sie die unhaltbare
Position nicht rechtzeitig räumt. Wenn die Konservativen festhalten an
ihren großen Grundsätzen und sich mit den Aufgaben der Zeit erfüllen,
dann werden sie immer ein bedeutsamer Faktor in unserem öffentlichen
Leben bleiben, zum Segen des Landes. Aber nur dann, aber auch nur
dann, wenn sie dies tun. Dann werden sie immer ihre große Stellung be-
haupten in unserem öffentlichen Leben. Durch Ihr „Unannehmbar“ werden
sie vielleicht die Erbschaftssteuer in diesem Augenblick zu Fall bringen.
Aber Sie (nach rechts) werden dadurch für die Zukunft neuen Erbschafts-
steuern die Wege eröffnen (Sehr richtig! links), die dann kommen werden,
und die den Gesichtspunkten und den Wünschen der konservativen Partei
weniger Rechnung tragen werden als die heute vorgeschlagene Steuer.
(Hört, hört! links.) Die Haltung der Konservativen in dieser großen Frage