224 Das Heuische Reich und seine einzelurn Glieder. (Juni 17.)
kanzler Fürst Bülow drückt Freiherrn v. Rheinbaben die Hand, ebenso ver-
schiedene Staatssekretäre.)
Fürst Hatpfeld (Rp.) verliest folgende Erklärung: Die Reichs-
partei hat steis den Standpunkt vertreten, daß die dauernde Gesundung
der Reichsfinanzen nicht nur für die innere Kraft des Reiches, sondern
auch für sein Ansehen nach außen von entscheidender Bedeutung ist. Die
Finanzreform darf kein Stückwerk sein, sondern es muß ganze Arbeit ge-
macht werden. Der gesamte Bedarf an Mehreinnahmen in Höhe von
500 Millionen Mark ist deshalb nicht bloß auf dem Papier, sondern in
Wirklichkeit zu beschaffen. Die Finanzen des Reichs müssen für Jahre
hinaus sichergestellt und das deutsche Erwerbsleben muß vor weiterer Be-
unruhigung geschützt werden. Mit dem Herrn Reichskanzler sind wir der
von uns stets vertretenen Ansicht, daß bei diesem großen nationalen Werk
sich alle bürgerlichen Parteien in gleicher Opferfreudigkeit zu gemeinsamer
Arbeit zusammenfinden sollen, unbeschadet ihrer parteipolitischen Stellung.
(Beifall.) Bei einer Frage von solcher Bedeutung müssen die partei-
politischen Gegensätze zurücktreten, sie muß vom wirtschaftlichen und vor
allem vom vaterländischen Gesichtspunkte behandelt werden. Von dieser
Auffassung lassen wir uns auch bei der weiteren Behandlung der Reichs-
finanzreform leiten und erblicken in treuer Mitarbeit an dem Werke die
Erfüllung einer patriotischen Pflicht. Wie wir bereits früher mehrfach
erklärt haben, wünschen auch wir, daß bei der Reichsfinanzreform auch der-
Besitz entsprechend herangezogen wird. Demzufolge haben wir uns, da
bisher andere geeignete allgemeine Besitzsteuern nicht zu erreichen waren,
in unserer großen Mehrheit auch bereit finden lassen, mit der Ausdehnung
der Erbschaftssteuer auf Deszendenten und kinderlose Ehegatten uns ab-
zufinden, falls hiervon das Zustandekommen der Reichsfinanzreform ab-
hängt. (Beifall links.) In derselben Voraussetzung sind wir auch jetzt
in unserer überwiegenden Mehrheit entschlossen, der Erbanfallsteuer zu-
ustimmen in der Erwartung, daß die von uns für erforderlich gehaltenen
enderungen angenommen werden. (Beifall links.) Dabei legen wir be-
sonderen Wert auf Sicherung gegen künftige Erweiterungen oder Erhöh-
ungen der Steuer. (Gelächter im Zentrum.) Wir sind aber auch nach
wie vor bereit, anderen Besitzsteuern, welche einen geeigneten Ersatz für
die Erbanfallsteuer bieten, zuzustimmen, denn wir halten es für unverant-
wortlich, das große nationale Werk der Reichsfinanzreform um der in ihrer
Bedeutung vielfach überschätzten Erbschaftssteuer willen in Frage zu stellen.
In den Vorschlägen der Kommission zur Regelung der Besitzsteuer kann
ein gangbarer Weg zur Lösung der Aufgabe schon aus dem Grunde nicht
erblickt werden, weil die verbündeten Regierungen sie entschieden ablehnen.
Die Reichspartei ist nicht gewillt, die finanzielle Notlage des Reiches aus-
zunützen, um den verbündeten Regierungen parlamentarische Mehrheits-
beschlüsse aufzunötigen. (Beifall links.) Das würde allen konservativen
Ueberlieferungen widersprechen und einen für die Zukunft gefährlichen
Präzedenzfall bieten. (Beifall und Hört, hört! links.) Die Ersatzsteuer-
vorschläge werden wir ohne Voreingenommenheit unter dem Gesichtspunkt
vollständiger Lösung der Aufgabe der Reichsfinanzreform prüfen und unsere
anze Kraft dafür einsetzen, daß die Reform in einer den Interessen des
Keiches und unseres Erwerbslebens sowie der Gerechtigkeit entsprechenden
Gestalt zustande kommt. (Beifall.) Unsere Partei wird dem warmen
Appell, den Herr v. Rheinbaben soeben an den Reichstag richtete, sicher
Folge leisten. (Lebhafter Beifall.)
Dr. v. Diembowski (Pole): Der Reichskanzler hat die Debatte
auf die Grundlage einer Parteiauseinandersetzung gestellt, daher werden