240 DPas Penisthe Reith und seine einzelnen Glieder. (Juni 25.)
sprechen, wenn man in Abrede stellen wollte, daß das Ergebnis der
gestrigen Verhandlungen im Reichstag einen tiefen Eindruck auf den Reichs-
kanzler gemacht hat, und es wäre ebenso falsch, leugnen zu wollen, daß
diese Tatsache ohne Bedeutung bleiben könne für die persönlichen Ent-
schließbungen des Fürsten v. Bülow. Man müsse sich aber anderseits hüten
zu glauben, daß der Reichskanzler aus dem gestrigen Tage allein bereits
die Konsequenzen ziehen werde. Dem steht die Tatsache gegenüber, daß
die Reichsfinanzreform ja doch nicht aus der Erbanfallsteuer allein besteht.
Der Reichskanzler würde es deshalb von seinem Standpunkte aus im
Interesse des Volkes nicht verantworten können, wenn er vor dem Ab-
schluß der Reichsfinanzreform irgend welche Konsequenzen ziehen würde.
Er werde diese Konsequenzen ziehen, aber erst nach dem Abschluß der Ver-
handlungen. Es werde dem Reichskanzler für seine Entschließungen maß-
gebend sein einmal, ob die Finanzreform überhaupt zustande komme und
weiter, wie sie zustande kommen werde.“ — Das „Berliner Tage-
blatt“ schreibt: „Nur einen Ausweg, eine Rettung gibt es in dieser
schlimmen Lage: die Auflösung des Reichstags. Fürst Bülow kann in
diesem Augenblick nicht zurücktreten, da seine Demission die Gefahren der
Lage nur noch steigern müßte.“ — Die „Vossische Zeitung“ sagt:
„Wenn die unverzügliche Anberaumung der Neuwahlen erfolgte, die gestrige
Mehrheit würde einem Gericht verfallen, wie es hierzulande beispiellos
wäre. Unterbliebe die Auflösung, so wäre alles Ansehen der Machthaber
für unabsehbare Zeit derart untergraben und die Erbitterung so allgemein,
daß man der nächsten Entwickelung der innern Politik nur mit tiefstem
Mißtrauen eutgegensehen müßte.“ — Die „Tägliche Rundschau“
schreibt: „Wie aus diesem Wirrwarr, dieser gänzlich verfahrenen Lage ein
anderer Ausweg gefunden werden soll, als durch Berufung an das Volk,
ist nicht ersichtlich. Entweder die tatsächliche oder moralische Abdankung
des Kanzlers, des Bundesrats und der Minister, oder Auflösung.“ —
Die „Nationalzeitung“ schreibt: „Mit der Verwerfung der Erbschafts-
steuer haben sich die Konservativen und das Zentrum über den Willen
der Regierung und der großen Mehrheit des deutschen Volkes hinweg-
gesetzt. Für den Reichskanzler und die Reichsregierung gibt es nur noch
die Wahl zwischen Biegen oder Brechen. Der Ruf an das Volk wird
nicht ungehört verhallen.“ — Die „Deutsche Tageszeitung“ schreibt:
„Mit der Erbanfallsteuer ist das größte und gefährlichste Hindernis der
Reichsfinanzreform glücklich beseitigt worden. Die Bahn ist frei für nüch-
terne Erwägungen und sachliche Arbeit. Für die verbündeten Regierungen
kann doch wohl nur noch in Frage kommen, den größern Besitzsteuer-
projekten der Mehrheit ernstlich näher zu treten und ihnen eine möglichst
zweckmäßige Gestaltung zu geben.“ — Die „Freisinnige Zeitung“
schreibt: „Geschehen muß etwas von seiten der Regierung. Es ist un-
möglich, daß die verbündeten Regierungen sich vor den diktatorischen Ge-
lüsten des neuen Blocks zurückziehen. Der Reichskanzler ist nicht nur
sachlich, sondern auch persönlich engagiert. Ein Zurückweichen kann für
ihn nicht in Frage kommen.“ — Die „Börsen---Zeitung“ meint, ein
Rücktritt Bülows werde keine Lösung des innern Konflikts bringen, da
Fürst Bülow bei all seinem Tun in den letzten Monaten an den ver-
bündeten Regierungen einen Rückhalt hatte. Von zwei Uebeln, der Beu-
gung unter das kaudinische Joch der konservativ-klerikal-polnischen Mehr-
heit und der Auflösung, sei die Auflösung sicherlich das kleinere Uebel. —
Die „Kreuzzeitung“ beschränkt sich auf die Wiedergabe der „Konser-
vativen Korrespondenz“, welche schreibt: „Die Ablehnung des
Erbschaftssteuergesetzes machte die Bahn frei für ein schnelles, erfolgreiches.