260 Das Neische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 10.)
einzelnen Steuern hätten herantreten müssen — ach, da wollte ich einmal
sehen, was dann aus der Sache geworden wäre! (Heitere Zustimmung
rechts und im Zentrum.) Und ob dann das, was zustande gekommen
wäre, wirklich besser geworden wäre, als was wir zustande gebracht haben!
gumuze links.) Den Beweis dafür zu führen, würde vielleicht nicht schwer
ein. Aber wir hatten noch einen anderen Grund, uns dieser sogenannten
Besitzbesteuerung nicht zu widersetzen, weil wir es unter allen Umständen von
uns ablehnen wollten, als wenn wir im einseitig egoistischen Interesse ledig-
lich etwa die Interessen des Grundbesitzes wahrnehmen wollten. (Zurufe
links.) M. H., überlegen Sie sich doch bloß mal die Sache! Die von Ihnen
gepriesene alleinseligmachende Erbschaftssteuer würde in ihrem
Ertrage, der den Grundbesitz getroffen hätte, nicht annähernd das erreicht
haben, was jetzt mit diesen neuen sogenannten Besitzsteuern tatsächlich von
uns fertiggebracht ist. Und weil wir eben unter allen Umständen den
Nachweis liefern wollten, daß egoistische Grundbesitzerinteressen uns nicht
leiten, deswegen haben wir den Besitzsteuern auch aus diesem Grunde
zugestimmt. Und nun tun Sie so, als ob das, was wir schließlich zuwege
gebracht hatten, etwas im höchsten Grade von Ihrem Standpunkte aus
zu Bedauerndes wäre. Ach Gott, wie lagen denn die Sachen vor ungefähr
sechs bis acht Wochen? Da lag es doch so, daß der Karren, den Sie
führten, vollständig im Sumpfe steckte. Zwei Pferde zogen rechts, zwei
Pferde zogen links, ein Kutscher war nicht zu sehen. Das Schauspiel, daß
überhaupt nichts wurde, haben wir dem deutschen Volke ersparen wollen.
Deswegen haben wir unsere ganze politische Stellung eingesetzt;
unsere ganzen Interessen, die wir vielleicht im einzelnen hier und da
anders gewollt hätten, haben wir hingegeben und preisgegeben (Zurufe
links) — ja, m. H. — und sind ohne Rücksicht auf Ihre Feindschaft,
ohne Rücksicht auf den Hohn und Spott unserer Gegner und — was doch
auch etwas sagen will — ohne Rücksicht auch darauf, daß in unseren
eigenen Reihen sich Zweifel, Unmut, Unzufriedenheit, Abfall gezeigt hat,
den Weg gegangen, so weit wir ihn gehen konnten, bis zum Ende und
dabei werden wir stehen bleiben. Es ist ja wahr, was unsere Freunde
im Lande sagen: auch Ihr habt's ja hier zustande gebracht, schlecht und
recht, so gut Ihr's konntet; aber auf dem Wege, den Ihr gegangen seid,
liegen Trümmer. — Das muß man anerkennen, und das ist die schwere Ver-
antwortung, die wir dafür haben, wie das zustande gekommen ist. — Gewiß,
m. H., wir wissen auch was wir tun, und wir kennen unsere Verant-
wortung! Auf dem Wege, den wir gegangen sind, liegt der Block.
(Bewegung.) Gewiß, auch darüber wollen wir ein offenes Wort sprechen; die
Stunde ist zu ernst, als daß man irgend etwas zu verschweigen das Recht
hätte. Wo war denn der Block? Der Block, der aus den Wahlen von 1907
hervorgegangen ist, wollte, daß gewisse nationale Interessen, die damals
gefährdet schienen, unbedingt gesichert würden und das deutsche Volk wollte,
daß die Vorherrschaft einer einzelnen Partei (Zuruf links: Welche denn??),
wie sie damals nach Lage der parlamentarischen Verhältnisse dem Zentrum
zugefallen war (stürmische Zurufe links: Und jetzt wieder!), aufhörte. Und,
m. H., dieses Ziel ist erreicht worden und dieses Ziel bleibt erreicht. (Ge-
lächter links.) Dieses Ziel bleibt erreicht! Aber, m. H., der Reichskanzler
Fürst Bülow hat aus dem Block noch etwas anderes gemacht. Er hat eine
Verbindung der konservativen und der liberalen Parteien herbeigeführt unter
grundsätzlicher Ausschaltung des Zentrums bei maßgebender politischer Arbeit.
Und wohin konnte das führen? Es mußten früher oder später zwischen
Liberalen und Konservativen, die in vielfacher Beziehung eine Welt-
anschauung trennt — m. H., ich nehme für keine Seite ein besonderes