266 Vs Veesche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 10.)
und Tod mit diesen reaktionären Anschauungen. Die verbündeten Regie-
rungen laden eine schwere Schuld auf sich, sich zum Werkzeug solcher An-
schauungen zu machen. Auf den Fürsten Bülow hat der Vorredner ja eine
Art Trauerrede gehalten. Ob sie den Fürsten gefreut hat, mag dahingestellt
bleiben. Aber daß die Konservativen noch keinen Minister gestürzt hätten,
laubt Herrn v. Heydebrand wohl niemand. Es waren konservative
Frondun, die Bismarck und Caprivi gestürzt haben und andere Minister
sind gleichfalls schon über Konservative gestolpert. Wir nehmen es den
Konservativen auch gar nicht übel, wenn sie einen Minister beseitigen, den
sie für schädlich halten. Aber dann mögen sie doch konsequent sein und
für die parlamentarische Regierungsform eintreten. Herr v. Heydebrand
hatte recht, nicht Besitzsteuern sind beschlossen worden, sondern sogenannte
Seiipge euern. Sie sind so genannt worden, um das Volk zu täuschen. Zu
der Belastung der Armen fügen die Konservativen den Hohn, indem sie
von einer sozialen Steuerreform sprechen. Zum Dank für ihr Entgegen-
kommen haben die Einzelstaaten die gestundeten Matrikularbeiträge geschenkt
bekommen. Wie man im gewöhnlichen Leben jemand nennt, der gegen
Bezahlung seine wohlerwogene Ueberzeugung opfert, will ich hier nicht
sagen. (Unruhe rechts und im Zentrum.) Die Politik der Mehrheit wird
uns zugute kommen, der Tag der Vergeltung kommt. Möge er auch
der Tag der Vergeltung der christlichen Arbeiter gegenüber dem Zentrum
werden. (Lachen im Zentrum.) Zentrum ist wieder Trumpf im Reich,
das hat die kluge Politik des Fürsten Bülow erreicht. Das Zentrum hat
an dem Fürsten Rache genommen. Aber Fürst Bülow ist nicht nur ein
Opfer des Zentrums geworden, er ist auch das Opfer seiner eigenen Schwäche
und Haltlosigkeit geworden, das Opfer einer Politik, die nur darin bestand,
am Amt zu kleben. Weshalb ist er sonst nicht gleich nach seiner Niederlage
aus dem Amt geschieden? Auf die Reichstagsauflösung ist der Vorredner
nicht eingegangen. Wenn Sie die Gewißheit hätten, daß dieselbe Mehrheit
wiederkommt, warum lösen Sie da den Reichstag nicht auf? Aber die
verbündeten Regierungen sind Marionetten in der Hand des Steuerblocks
geworden. (Unruhe rechts.) Den Polen gratulieren wir zu dem Ansehen,
das sie jetzt bei der Regierung genießen. Ob die polnischen Arbeiter mit
dem Verhalten der Fraktion einverstanden sein werden, bezweifle ich. Mit
der Haltung der Liberalen zu dieser Finanzreform sind wir zufrieden.
(Hört, hört! und Heiterkeit rechts.) Aber diese Haltung befreit den Libe-
ralismus nicht von dem Vorwurf, daß er 400 Millionen indirekte Steuern
zu bewilligen bereit war. Nur weil er als Regierungspartei ausgeschaltet
wurde, lehnt er die indirekten Steuern ab. Man muß ihn beurteilen nach
seinen Absichten und nicht nach seinen Taten. Auf dem nationalliberalen
Parteitag hat Herr Bassermann auf den Fürsten Bülow einen elegischen
Nachruf gehalten. Herr Bassermann gehört zu den Naturen, die noch am
Grabe die Hoffnung aufpflanzen. (Heiterkeit rechts.) Herr Bassermann hat
es als ein Verdienst des Fürsten Bülow gepriesen, daß er uns zur positiven
Mitarbeit erzogen und dem Revisionismus in der Fraktion zum Siege
verholfen habe. Wir haben aber noch nie unsere Mitarbeit verweigert.
(Gelächter.) Mit dem Siege des Revisionismus hat sich Herr Bassermann
gröblichst düpieren lassen. Die Fraktion war von Anfang an einmütig.
Darüber hinaus mag sich Herr Bassermann beruhigen: wenn irgend etwas
geeignet ist, unsere bisherige Politik als richtig zu beweisen, so die arbeiter-
feindliche Politik des Fürsten Bülow. Die Regierung ist widerspruchslos
durch das kandinische Joch gekrochen. Die Erbschaftssteuer wird im Ein-
verständnis mit der Regierung verscharrt und den Soldaten und schlecht
bezahlten Unterbeamten verweigert man eine geringe Erhöhung ihrer kläg-