Das Dentsqhe Reith und seine einfelnen Glieder. (Juli 10.) 271
wenigstens nicht aus dem Eindruck heraus, daß es eine äußerst gekünstelte Dar-
legung war, die er uns in dieser Beziehung gegeben hat. Von meinen politischen
Freunden kann ich jedenfalls sagen, wir sehen in dem Reichskanzler Fürst Bülow
mit Bedauern einen von konstitutionellem modernen Geiste erfüllten Staats-
mann von der Leitung der Reichsgeschäfte zurücktreten. Der Reichskanzler hat
in der innern Politik mit dem Aufruf zur Blockpolitik vor zweieinhalb
Jahren ein Leitmotiv gegeben, und das möchte ich Herrn v. Heydebrand
sagen — unter der jubelnden Zustimmung von Millionen Patrioten
Deutschlands —, ein Leitmotiv, das noch lange nachklingen wird in diesen
Herzen, und ein Motiv in der Politik, auf das bei anderer Zeit zurück-
zugreifen vielleicht auch sein Nachfolger oder seine Nachfolger sich veranlaßt
sehen. Ich kann in das Urteil nicht einstimmen, das der Abg. v. Heyde-
brand ausgesprochen hat, daß die Blockpolitik von Anfang ein politischer
Fehler gewesen sei. Er hat es damit begründet, daß dadurch das Zentrum
mehr oder weniger ausgeschaltet worden sei und daß dadurch eine gewisse
Gefährdung des konfessionellen Friedens eingetreten oder wenigstens zu
befürchten sei. Von uns will niemand in die Zeiten des frühern Kultur-
kampfes zurücktreten. Ich verstehe nicht, wie Sie eine derartige offene
und ehrliche Erklärung mit Hohnlächeln beantworten können. Auch uns
liegt es durchaus fern, den Kampf auf diesem Gebiete anders führen zu
wollen als mit geistigen Waffen. Nur dadurch wird der Kampf erschwert,
daß er von andern Seiten vielfach auf das politische Gebiet übertragen
wird. Ich weiß genau, daß es auch in der konservativen Partei Tausende
und Abertausende gibt, die mit uns in dieser Ueberzeugung und in dem
Bedauern einig sind. Wenn der geistige Kampf zwischen den Konfessionen
beschränkt bleibt auf den Kampf der Weltanschauung, auf den Kampf der
Geister, dann droht dem konfessionellen Frieden keine Gefahr, denn ein
Kampf auf diesem geistigen Gebiete wird immer sein, solange es lebendige
Menschen gibt. Nur wenn dieser Kampf auf das politische Gebiet über-
tragen wird und mit politischen Mitteln geführt wird, wird er vergiftet
und nur dadurch wird in unser ganzes Volksleben Unfrieden hineingetragen.
Es ist ja vielfach Mode geworden, in der Presse verschiedener Par-
teien über den Block und das Blockgebilde des scheidenden Reichskanzlers
Hohn und Spott auszugießen. Es ist im jetzigen Augenblick wenig opportun,
einer andern Stimmung Ausdruck zu geben. Was war der Block anderes
als der Versuch, in allen nationalen Fragen ein Zusammenarbeiten von
Konservativen und Liberalen zu ermöglichen und dabei auszuschalten solche
Parteien, bei denen in erster Linie neben den nationalen Gesichtspunkten
andere Gesichtspunkte maßgebend sind? Wenn diese Politik versagt hat,
so ist damit zunächst das eine bewiesen, daß es noch zu schwierig und noch
zu früh sein mochte, innerhalb der konservativen und der liberalen Parteien
die Gegensätze der Parteien und der Weltanschauungen unter nationalen
Gesichtspunkten zu versöhnen, noch zu früh sein mochte, auf politischem
Gebiete zwischen diesen beiden Parteigruppierungen unter dem nationalen
Gesichtspunkte das zu erreichen, was doch das Zentrum unter dem kon-
fessionellen Gesichtspunkte längst erreicht hat. Denn daß im Zentrum die
Gegensätze zwischen mehr konservativer und mehr liberaler, ja, demokratischer
und radikaler Auffassung der staatlichen Dinge mindestens ebenso groß
sind wie bei den Herren von der äußersten Rechten und den Herren vom
Freisinn und der Demokratie, das bedarf keines Beweises (Lebhafte Zu-
stimmung links), nur, daß Sie vom Zentrum es verstehen, diese Ihre
innern politischen Gegensätze innerhalb Ihrer Partei und Fraktion eben
unter den obersten Gesichtspunkt der Parteizusammengehörigkeit auf kon-
fessioneller Grundlage zu stellen, während die konservativen und die liberalen