Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

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Zusammenarbeiten zerstört worden sind. Die parteipolitische Beständigkeit, 
die doch für ein solches Zusammenarbeiten notwendig ist, ist dahin. Der 
konfessionelle Frieden, der für die Konservativen maßgebend für das Zu- 
sammengehen mit dem Zentrum gewesen sein soll, kann durch die jetzige 
Politik nicht gefördert werden, denn das Zentrum verquickt Politik und 
Konfession. Und das Zentrum wird für das, was es hier bewilligt, die 
Rechnung schon präsentieren auf andern Gebieten, vor allem auf dem 
Gebiete der Schule im preußischen Landtag. Von verschiedenen Rednern 
ist der bisherigen Wirksamkeit des Fürsten Bülow gedacht worden. Meine 
politischen Freunde sind nicht mit allen seinen Maßnahmen einverstanden 
gewesen. Aber den Vorwurf, den der Abgeordnete Singer ausgesprochen 
hat, daß Fürst Bülow ein Kleber im Amte gewesen sei, unterschreiben wir 
nicht; dieser Vorwurf ist ungerecht, besonders jetzt, wo der Reichskanzler 
aus dem Amte scheidet, weil er seine Ansichten nicht hat durchsetzen können. 
Die Wirtschaftspolitik des Fürsten Bülow haben wir bekämpft. Sie ist 
nicht zum Segen des Vaterlandes und unserer allgemeinen Entwickelung 
ausgeschlagen. Die Finanzmisere hat ihre Hauptquelle in dieser Wirtschafts- 
politik mit ihrer Verteuerung. Die Rechte hat für diese Haltung des 
Reichskanzlers keinen Dank übrig gehabt. Sie hat es ihm mit Undank 
gelohnt, wie es in der politischen Geschichte nur selten ist. Trotz unserer 
Gegnerschaft zu seiner Wirtschaftspolitik aber müssen wir doch anerkennen, 
daß Fürst Bülow auf vielen Gebieten unseres öffentlichen Lebens mit Ge- 
schick und Erfolg gewirkt hat, daß er Verständnis bekundet hat für die 
konstitutionellen Forderungen der Zeit, und an seinem Teile zur Fort- 
entwickelung des Staatswesens auf diesem Gebiete beigetragen hat. Wir 
müssen auch anerkennen, daß er es verstanden hat, die Stellung Deutsch- 
lands zu wahren und den Frieden zu sichern und zu erhalten. Und wir 
an unserem Teile wollen und werden auch nicht vergessen, daß er sich 
eingesetzt hat für die Gleichberechtigung liberaler Anschauungen. (Lebhafte 
Zustimmung links.) Wir sind deshalb überzeugt, daß sein Name in der 
Geschichte des deutschen Vaterlandes mit Ehren genannt werden wird. 
Leider können wir das gleiche nicht von den verbündeten Regierungen 
sagen. Meine politischen Freunde bedauern die Schwäche und Nach- 
giebigkeit, die die verbündeten Regierungen in diesen Tagen bekundet 
haben. Sie kommen über die Tatsache nicht hinweg, daß durch die Aus- 
führungen des Staatssekretärs v. Bethmann Hollweg feierliche Erklärungen 
derselben Regierung von früher preisgegeben sind. Sie haben sich der 
Koalition gefügt, die zwar im Hause eine Mehrheit hat, aber nicht im 
deutschen Volke. Einige Vertreter der verbündeten Regierungen haben es 
für klug und geschmackvoll gefunden, mit der neuen Mehrheit alsbald die- 
jenigen anzugreifen, die Monate hindurch die Regierung unterstützt haben. 
Die verbündeten Regierungen haben ihre Verbeugung vor dem Geßlerhut 
des Zentrums gemacht. Fürst Bülow hätte richtiger gehandelt, wenn er 
alsbald nach Ablehnung der Erbschaftssteuer aus dem Amte geschieden 
wäre. Er würde damit nicht in eine schiefe, unhaltbare Lage noch in den 
letzten Tagen gekommen sein. Die heutige Erörterung zeigt die ganze 
Unhaltbarkeit der Situation. Alle Reden richten sich in der Hauptsache 
gegen die Regierungspolitik. Eine Mehrheit, auf die sich die Regierungs- 
politik stützen könnte, ist in diesem Hause nicht vorhanden. Die heutige 
Erklärung der verbündeten Regierungen und ihre Haltung imponiert uns 
nicht. Das Ansehen des Bundesrats als Faktor der Gesetzgebung ist 
gerade in den letzten Tagen geschädigt worden. Wir richten unsere Stellung 
nicht nach Personen ein, sondern nach sachlichen Motiven. Wir wünschen, 
daß die Einigung der liberalen Parteien aufrecht erhalten bleibt. Wir 
 
	        
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