280 Ves Neische Reich und seine eintelnen Glieder. (Juli 10.)
weinsteuer wird auf Antrag Dr. Roesicke (deutschkons.) wie folgt vor-
genommen: für eine Flasche bis 4 Mark auf 1 Mark, bis 5 Mark auf
2 Mark und über 5 Mark auf 3 Mark. Der Eingangszoll wird auf 180 Mark
für den Doppelzentner erhöht. Die so veränderte Schaumweinsteuer-
erhöhung wird mit 232 gegen 120 Stimmen angenommen. Die Erhöhung
tritt am 1. August 1909 in Kraft. Die Schecksteuer wird unverändert
genehmigt. Zu dem Stempel für Grundstücksübertragungen liegt
ein Antrag Graf Westarp (deutschkons.) vor, der Ersatz für die abgelehnte
Wertzuwachssteuer schaffen soll. Der Antrag sieht eine provisorische Reichs-
wertzuwachssteuer bis zum 1. April 1912 vor, die jährlich 20 Millionen
Mark bringen soll.
Abg. Graf Westarp (deutschkons.) begründet seinen Antrag und er-
läutert seine Einzelheiten. Bis 1912 wird sich ein Weg finden, wie wir
eine endgültige Regelung vornehmen können. In einem zweiten Antrag
Graf Westarp wird die Steuerfreiheit für kleine und mittlere Grundstücke
festgelegt. Abg. Graf Westarp (deutschkons.) begründet auch diesen Antrag,
der aus sozialen Gründen gestellt sei.
Abg. Cuno (sfrs. Vp.): Die Wertzuwachssteuer ist tot, es lebe die
Wertzuwachssteuer. Die Drohung des Vorredners, 1912 alle Grundstücke
zu einer heute noch gänzlich unbekannten Steuer heranzuziehen, ist das
Großartigste an Gesetzgebung, das ich kenne. Die Folge des Antrages
wird eine beispielslose Spekulation sein. Nicht nur spekulativ veranlagte
Terraingeschäfte, sondern auch der reelle Grundstückshandel wird getroffen.
Die Tragweite des jetzt in letzter Stunde gestellten Antrages des Grafen
Westarp kann kein Mensch übersehen. Diese Art Gesetzesmacherei können
wir nicht mitmachen. Die Wertzuwachssteuer darf als Gemeindesteuer
nicht unmöglich gemacht werden.
Abg. Dr. Südekum (Soz.): Weshalb schweigt die Regierung? Wo
sind die Vertreter der Einzelstaaten? Der Antrag Westarp legt den neuen
Reichskanzler, den noch kein Mensch kennt, auf eine bestimmte Steuer
fest. Was machen wir, wenn der neue Mann ein Gegner der Wertzuwachs-
steuer ist? So macht man doch keine Gesetze. Wir sind prinzipiell für
eine Reichsumsatzsteuer, die auf die Gemeinden entsprechende Rücksicht
nimmt. Das tut der Antrag Graf Westarp aber nicht, ja, er benachteiligt
die Städte, die die Wertzuwachssteuer bereits eingeführt haben. Der Staat
halst den Gemeinden immer neue Lasten auf. Dafür nimmt er ihnen fort-
gesetzt Einnahmequellen und beschränkt das Selbstverwaltungsrecht. Wir
lehnen den Antrag Graf Westarp deshalb ab.
Reichsschatzsekretär Sydow: Es ist ein merkwürdiges Schauspiel,
das wir hier jetzt erleben. (Lebhafte Zustimmung links.) Bisher war der
ganze Reichstag einstimmig der Meinung, daß für Immobilien eine Wert-
zuwachssteuer eingeführt werden soll. Vor allem konnten sich die Freunde
des Herrn Cuno nicht genug tun. Der Antrag Graf Westarp sieht den
Weg vor, den ich bereits früher als gangbar bezeichnet habe. Es ist durch-
aus richtig, daß den Gemeinden ein Anteil an der Wertzuwachssteuer ge-
lassen werden soll. Der Gedanke, daß die Gemeinden bevorzugt werden,
die die Wertzuwachssteuer bereits eingeführt haben, ist ein durchaus richtiger
Gedanke. Es geschieht doch alle Augenblicke, daß wir durch Uebergangs-
bestimmungen den Besitzstand zu schonen suchen. Aus diesem Grunde will
der Antrag Graf Westarp den Gemeinden, die die Wertzuwachssteuer haben,
für eine gewisse Zeit den Besitz ihrer durchschnittlichen Einkünfte lassen.
Den Gemeinden aber, die die Wertzuwachssteuer erst einführen wollen, soll
kein Anspruch auf den Schutz ihres Besitzstandes zustehen. Diese Bestimmung
ist für die Gemeinden, die die Wertzuwachssteuer bereits haben, eine ge-