Das Vee#sche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 14.) 283
Gehaltssätze in irgendeinem Punkte hinausgegangen werden sollte. Hiermit
ist das Schicksal der Vorlage in Ihrer Hand. Wollten Sie die gestern
gefaßten, vom Bundesrat abgelehnten Beschlüsse aufrecht erhalten, so würde
das Besoldungsgesetz scheitern und infolge von Meinungsverschiedenheiten,
die nur einige Beamtenklassen betreffen, die Gesamtheit der von der Vor-
lage bedachten Beamten, Offiziere und Unteroffiziere der zahlreichen Ver-
besserungen verlustig gehen, die ihnen sowohl in den Gehältern, als auch
in den Wohnungsgeldzuschüssen von der Regierung gern zugewendet worden
wären. Als irrig würde sich die Meinung erweisen, es wäre später für
die Beamten mehr zu erreichen. Bei etwaiger Wiedereinbringung der Vor-
lage im nächsten Jahre werden weitere Zugeständnisse von der Regierung
nicht zu erlangen sein. (Gelächter und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Wohl aber würde die Rückwirkung der Vorlage bis zum 1. April 1908
dann nicht mehr in Frage kommen. Hiernach kann ich namens der ver-
bündeten Regierungen nur noch einmal dringend empfehlen, im Interesse
des Zustandekommens der Vorlage, besonders aber im Interesse der Be-
amten selbst auf den Boden der Kommissionsbeschlüsse zu treten. (Beifall,
Rufe bei den Sozialdemokraten: Wo ist das Unannehmbar?)
Auf Antrag des Abg. Dr. Droescher (kons.) werden darauf die Kom-
missionsbeschlüsse wiederhergestellt und das ganze Besoldungsgesetz mit 317
Stimmen angenommen.
Staatssekretär v. Bethmann Hollweg: Ich habe dem hohen Hause
eine Allerhöchste Botschaft kundzutun. (Das Haus erhebt sich, die Sozial-
demokraten bleiben sitzen. (Zurufe rechts: Aufstehen! Abg. Fischer (Berlin)
(Soz.): Das machen wir, wie wir wollen!) Wir Wilhelm, von Gottes
Gnaden Deutscher Kaiser und König von Preußen, tuen kund und zu
wissen, daß Wir Unsern Staatssekretär, Staatsminister v. Bethmann Hollweg
ermächtigt haben, gemäß Artikel 12 der Verfassung die gegenwärtigen
Sitzungen des Reichstages in Unserm und der verbündeten Regierungen
Namen am 13. Juli dieses Jahres zu schließen. Gegeben urkundlich unter
Unserer Höchsteigenen Unterschrift und beigedrucktem Siegel zu Glücksburg
an Bord S. M. S. „Hohenzollern“ am 10. Juli 1909 Wilhelm I. R. gegen-
gezeichnet Fürst von Bülow. (Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Ich habe die Ehre, die Urschrift der Allerhöchsten Botschaft dem Herrn
Präsidenten zu überreichen. Auf Grund der mir von Seiner Mojestät
dem Kaiser und König erteilten Ermächtigung erkläre ich im Namen der
verbündeten Regierungen den Reichstag für geschlossen.
Präsident Graf Stolberg: Wir aber trennen uns mit dem Rufe
Sr. Majestät der Deutsche Kaiser, er lebe hoch, hoch, hoch! (Das Haus
stimmt dreimal in den Ruf ein. Die Sozialdemokraten haben inzwischen
den Saal verlassen.) (Zuruf rechts: Jetzt ziehen sie abl) Präsident Graf
Stolberg: Ich schließe die Sitzung.
14. Juli. Eine Sonderausgabe des „Reichsanzeigers“ gibt
bekannt: die nachgesuchte Entlassung des Fürsten Bülow unter
Verleihung des Schwarzen Adlerordens mit Brillanten und die
Ernennung des bisherigen Staatssekretärs des Innern v. Beth-
mann Hollweg zum Reichskanzler, Präßddenten des preußischen
Staatsministeriums und Minister des Auswärtigen in Preußen,
ferner die Ernennung des Staatsministers Delbrück zum Staats-
sekretär des Innern, die des Staatssekretärs Sydow zum Handels-