Des Betsche Reiq und seine einelnen Glieder. (Juli 14.) 2889
nach dem Empfinden aller ihrer Freunde Fürst Bülow in den November-
tagen hinreichend den Schild vor den Träger der Krone gehalten habe.
Sie sind bereit, ihm noch ein gutes Abschiedsattest zu geben, wie einem
entlassenen Kutscher, dessen Abgang ihre Wünsche sattsam befriedigt.“
Die weiter rechts stehenden „Berliner Neuesten Nachrichten“
fassen ihre Beurteilung also zusammen: „Fürst Bülow legt sein Amt nieder
in einem Augenblicke, da er auf die größten Erfolge seiner auswärtigen
Politik unmittelbar zurückblicken kann. Seine überaus geschickte Diplomatie
während der letzten Orientwirren hat so manchen frühern Mißerfolg wieder
wettgemacht. Jedenfalls nimmt Deutschland trotz aller gegen uns gerich-
teten Ententepolitik im Rate der Völker den Platz ein, der ihm gebührt,
der ihm aber von neidvollen Rivalen auf Tod und Leben zu bestreiten
versucht worden ist. Neben diesem überaus befriedigenden positiven Gesamt-
ergebnis seiner auswärtigen Politik vermag Fürst Bülow auf glänzende
Erfolge in der inneren Politik zurückzublicken, es sei nur an seine Schlich-
tung des Kanalstreites, an die Durchführung der Zolltarifreform, an seine
zielbewußte Förderung der Landwirtschaft und der Industrie erinnert.“
Auch konservative Blätter werden dem Fürsten vollauf gerecht. Der
„Reichsbote“ hebt die Schwierigkeiten des Kanzleramtes hervor und sagt
dann weiter: „So hat ein Kanzler, der eine solche Würde und Bürde nach
den verschiedensten Seiten im Dienste des Vaterlandes noch neun Jahre
getragen hat, nachdem er ihm schon seine Mannesjahre vorher als Diplo-
mat und Staatssekretär des Aeußern gewidmet hatte, von vornherein einen
gerechten Anspruch auf eine aufrichtige, dankbare Anerkennung seitens der
Nation, wenn er sich zum Abschiede anschickt. Und Fürst v. Bülow hat
seine Aufgabe unter schwierigen Verhältnissen und in schwierigen Zeiten
zweifellos mit persönlicher Hingabe, selbst mit zeitweiser Schädigung seiner
Gesundheit, wie sie die Aufregungen der Politik zu oft im Gefolge haben,
geführt; er hat an sie auch die volle große Kunst seiner diplomatischen
Begabung, den faszinierenden Zauber seiner liebenswürdigen Persönlich-
keit — sein Frankfurter Leiborgan nannte ihn einmal einen „großen
Menschenfänger“ — die mannigfachen Geistesvorzüge, die ihn auszeichnen
und unter denen seine virtuose Rhetorik besonders bekannt ist, vor allem
auch die ganze Kraft seines Schaffens gesetzt. Außerdem wußte er sich
durch kluge Behandlung der menschlichen Schwächen in fast wunderbarer
Weise fremde Ideen, Strömungen, Mitarbeiter, Federn in einem Umfange
dienstbar zu machen, wie es nicht einmal dem Altreichskanzler gelungen
sein dürfte. So hat es seiner Amtsführung neben manchen Fehlschlägen
nicht an reichlichen, zum Teil schwer ins Gewicht fallenden Erfolgen ge-
mangelt. Es gibt eine ganze Reihe von politischen Errungenschaften, in
denen sein Verdienst oder Mitverdienst bei allen gerechten Beurteilern
unbestritten dasteht.“
Die „Kreuzzeitung“ sagt, daß der Kanzler „wegen einer starken
Meinungsverschiedenheit mit der konservativen Partei aus dem Amte
scheide, bedaure sie aufs tiefste“; sie gibt die Berechtigung der Rücktritts-
begründung aber auch heute noch nicht zu und benutzt die Gelegenheit zu
einem nochmaligen Rechtfertigungsversuch. Bülows Arbeit in der innern
Politik kommt dabei natürlich zu kurz; über die Erfolge in der auswärtigen
Politik schreibt sie: „In der auswärtigen Politik fand der vierte Kanzler
die gewaltige Aufgabe vor, unsere kontinentale Position gegen die Schwierig-
keiten zu behaupten, mit denen schon Bismarck zu kämpfen hatte, und dazu
noch die wegen der Entwickelung unserer überseeischen Interessen, unseres
Außenhandels und unserer Exportindustrie doppelt schwierig gewordene
Aufgabe, gute Beziehungen zu England, Japan und Amerika zu pflegen.
Europäischer Beschichtam le n####.6 19