304 Nes Veutsche Reich und seine einfelnen Glieder. (Aug. 29./2. Sept.)
Die Versammlung brachte hierauf auf den Kaiser und Papst ein
dreifaches Hoch aus. Alsdann folgte die Auffahrt der katholischen Stu-
dentenvereine, die dem Fürstbischof Dr. Kopp huldigten und am Denkmal
Kaiser Wilhelms einen großen Kranz niederlegten.
Im Jahresbericht des Zentralkomitees wird mitgeteilt, daß eine
Geschichte des Kulturkampfes in Vorbereitung sei.
In der ersten öffentlichen Bersammlung gab der Vorsitzende Herold
einen längeren Rückblick auf die vorhergehenden drei Breslauer Versamm-
lungen und meinte u. a., daß von den Forderungen, die vor 23 Jahren
in Breslau erhoben worden, außerordentlich wenig erfüllt seien, aber diese
Forderungen verjährten nicht, sie würden immer und immer wieder mit
Nachdruck erhoben werden; die Erkenntnis werde sich Bahn brechen, daß
auch die katholische Kirche die Freiheit erhalten müsse und erhalten werde.
Die Andersgläubigen möchten den Verhandlungen mit Sorgfalt folgen, sie
würden am Ende feststellen müssen, daß auch nicht ein einziges verletzendes
Wort gefallen sei. Kardinal Kopp, der mit minutenlangem, dröhnendem
Beifall empfangen wurde, dankte warm für die große Anteilnahme an
seiner Krankheit, sprach von dem irdischen und himmlischen Vaterland des
Katholiken, betonte, daß heute nicht die Angelegenheiten des erstern die
Versammlung beschäftigten, ohne daß sie darum zu kurz kämen, denn die
Bestrebungen, Gesinnungen und Grundsätze, die hier zur Verhandlung
kämen, müßten die Beziehungen zum irdischen Vaterlande stärken, heben
und befestigen. Zum Schlusse kam der fürstbischöfliche Redner auch auf
das Thema des Tages: Die verbotene Polenversammlung. „Nur eines
hätte ich gewünscht“, sagte der Kardinal, „daß die Gesinnungen meiner
polnisch redenden Diözesanen nicht allein in der hocherfreulichen Teilnahme
am Festzug, sondern auch im Wort, in ihrer Muttersprache zum Ausdruck
gekommen wären. (Tosender Beifall.) Das würde ganz besonders den
schönen Einklang dieses Festes verstärkt haben.“ Nebenbei kam Kardinal
Kopp auch auf den friedlichen Charakter des Katholikentages zu sprechen.
Schiedlich-friedlich sei der Grundsatz, mit dem man sich gegenseitig ein-
richten müsse. Die Begeisterung auf den Katholikenversammlungen sei
kein Feuer, das verbrennen und verwunden solle, sondern sie sei die Wärme
des Herzens. Die Versammlung solle das Bild der Einigkeit zeigen,
damit offenbar werde, daß der Gottesglaube und die Gottesliebe einigende
Kraft haben und versöhnend und ausgleichend wirken in allem, was die
Ansichten trennen könne. Zum Schluß erteilte der Kardinal den bischöf-
lichen Segen.
Ueber das Missionswesen sprach Fürst Alois Löwenstein-
Wertheim: In unsern Kolonien drohe dem christlichen Glauben Gefahr,
nicht allein von dem Mohammedanismus, sondern auch von sittlich minder-
wertigen Ansiedlern und Angestellten, die, wie ein protestantischer Pastor
gesagt habe, den Christennamen vor den Heiden stinkend gemacht. In
der Türkei, in Japan, Korea und Indien sei die Zeit für Missionen
günstig. Würde die Gelegenheit nicht benutzt, dann werde Mohammed,
Buddha und Konfuzius siegen, Christus aber aus zwei Dritteln der Be-
völkerung der Erde auf Perioden der Weltgeschichte ausgeschlossen.
6 In seinem Vortrage über die Schulfrage berührte Oberlandesgerichts-
rat Marx-Düsseldorf auch die polnische Frage. „Unsere polnischen Glaubens-
genossen können verfichert sein“, sagte er, „daß bei ihrem Kampfe um diese
naturgemäße Forderung, soweit er sich — diese Einschränkung darf auch
nicht übersehen werden — auf dem Boden der staatlichen Ordnung und
innerhalb der verfassungs- und gesetzmäßigen Grenzen bewegt, die Katho-
liken Deutschlands insgesamt Seite an Seite mit ihnen stehen. Wir werden