312 Has Beische Reich und seine rinzelnon Slieder. (September 6.)
sondern auch als eine Frage der äußeren Politik zu betrachten. Aber es
scheine, als habe die österreichische Regierung nicht den Mut, den Uebermut
der Tschechen durch ein entschlossenes Vorgehen zu brechen. Zu dieser
Frage sprach auch Reichsratsabgeordneter Jesser-Wien, der betonte, die
Ursachen des nationalen Kampfes in Böhmen seien zumeist in sozialen
Verhältnissen begründet. Er hielt es für wünschenswert, daß deutsches
Kapital die Industrialisierung des tschechischen Gebietes fördere, um den
deutschen Einfluß zu kräftigen. Professor Dr. Trautmann-Bonn sprach
wei Stunden über Staat und deutsche Sprache. Er forderte die bessere
flege unserer Sprache und den Kampf gegen die Fremdwörter als Staats-
aufgabe. Schließlich sei noch die Annahme eines Antrags der Ortsgruppe
Darmstadt erwähnt, der als berechtigte Forderung des Nationalgefühls
verlangt, daß die Orte in unseren Kolonien nach Möglichkeit mit deutschen
Namen bezeichnet werden.
6. September. Deutsche Mittelstandsvereinigung und Hansa-
bund.
Der Vorstand der Deutschen Mittelstandsvereinigung hat eine Er-
klärung beschlossen, in der es heißt: „Der Vorstand der Deutschen Mittel-
standsvereinigung ist nach eingehender Prüfung der Verhältnisse der
Ueberzeugung, daß die Deutsche Mittelstandsvereinigung vom Hansabunde
nicht abrücken soll, da sie die gemeinsamen Interessen des erwerbstätigen
Bürgertums sehr gut Schulter an Schulter mit dem Hansabunde ver-
treten kann.“
6. September. (Stuttgart.) Besuch des Kaiserpaares.
Bei dem feierlichen Empfang des Kaiserpaares im Rathaus zu
Stuttgart nimmt der Kaiser den Ehrentrunk entgegen und hält folgende
Ansprache: „Den hier versammelten Vertretern der Bürgerschaft Stuttgarts
spreche Ich Ihrer Majestät und Meinen herzlichsten Dank aus für den
Empfang, den Mir Stuttgart bereitet hat, jung und alt, groß und klein.
Ich habe schon öfter zu Meiner Freude Gelegenheit gehabt, die schöne
Hauptstadt Schwabens zu besuchen, und stets ist Mir die warme Anteil-
nahme der Bürgerschaft aufgefallen, die Mir entgegengetreten ist, bevor
Ich in das Königshaus eingetreten bin. So auch heute, da Ich infolge
der Einladung Ihres allergnädigsten Landesherrn, Seiner Majestät des
Königs von Württemberg, erneut Gelegenheit gehabt habe, der Stadt
Stuttgart einen Besuch zu machen. Ich freue Mich, der Einladung der
Bürgerschaft in ihr schönes Rathaus gefolgt zu sein. Das Rathaus ver-
sinnbildlicht die Bürgertugenden: Fleiß, Arbeitsamkeit, Stolz auf ihre
Vergangenheit und ihre Traditionen. Schön und herrlich ragt dieser
Bau empor. Daß unsere deutschen Städte sich so kraftvoll und mächtig
entwickeln können und daß sie in der Lage sind, sich so prächtige Rathäuser
u bauen, das liegt daran, daß seitdem die deutschen Stämme wieder einig
sind. unser deutsches Vaterland einen festen Grund, einen rocher de bronze
darstellt. Durch die Einigkeit des deutschen Volkes ist auch der Frieden
in der Welt gesichert, und unter dem Schutz dieses Friedens können
die Bürger arbeiten, die Städte sich entwickeln. So möge denn auch in
Zukunft des Friedens reicher Schutz über Stadt und Land walten! Und
so wünsche Ich denn Gottes Segen herab auf die Bürgerschaft. Vor allem
auf den ersten Bürger dieses Landes in dieser Stadt, auf Seine Majestät
den König, auf die Königin und das königliche Haus. Ich bitte nochmals,
Unsern herzlichsten Dank der Stuttgarter Bürgerschaft für die Einladung
und nicht im geringsten den lieben Stuttgarterinnen mitzuteilen.“