Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

316 Des Perisie Reich und seine einzelnen Glieder. (September 11.) 
verlebt. Der heutige Tag gilt, wie Sie erwähnt haben, der Probe eines 
Teiles unserer Wehrkraft. Wir Deutsche sind ein waffenfreudiges Volk 
und tragen unsere Rüstung leicht und gern, weil wir wissen, daß sie uns 
den Frieden bewahrt und erhält, in dem allein unsere Arbeit gedeihen 
kann. Die Heerschau, von der ich soeben komme, zeigte mir die waffen- 
fähigen Söhne aus dem Lande Baden, die unter ihrem erlauchten Landes- 
herrn Meine vollste Zufriedenheit gefunden haben. So lange es Kriege 
gibt, bildet unser Heer den rocher de bronze, auf den sich der Friede 
gründet. Und ihn uns zu erhalten, und um die Stellung in der Welt 
zu wahren, die uns zukommt, dazu dient unser Heer, dazu dienen auch 
die Tage der Anstrengung, die ihm zugemutet werden. Daß es seine 
Probe im Falle der Not mit Gottes Hilfe und unter Gottes Schutz gut 
bestehen wird, davon bin ich überzeugt. Ich bitte Sie, Herr Oberbürger- 
meister, der Dolmetsch Meines und Ihrer Majestät der Kaiserin Dank für 
den herrlichen und herzlichen Empfang seitens der Bürgerschaft von Karlsruhe 
sein zu wollen."“ 
Abends 6 Uhr fand im Residenzschloß beim Großherzog und der 
Großherzogin Galatafel statt. Hier hielt der Großherzog folgende 
Rede: „Eure Kaiserliche und Königliche Majestät und Ihre Moajestät die 
Kaiserin zugleich im Namen der Großherzogin heute hier in Meinem Hause 
und in Meinem Lande aufs ehrerbietigste und wärmste begrüßen zu dürfen, 
ist Mir eine ganz besondere Freude. Ist es doch ein bedeutungsvoller Tag, 
an dem Eure Majestät, umgeben von den so herzlich willkommenen deutschen 
Fürsten und Prinzen, Heerschau hielten über das vierzehnte Armeekorps. 
Wer durch die Schule der Armee hat gehen dürfen, der weiß, was ein 
solcher Tag für ein Korps bedeutet, der weiß, daß alle bis zum letzten 
Mann ihr Bestes hergeben, um die Prüfung vor dem Allerhöchsten Kriegs- 
herrn zu bestehen. Die leuchtenden Augen, in die Eure Majestät heute 
geblickt haben, werden Eurer Majestät bewiesen haben, daß das Korps sich 
glücklich schätzt über die huldvolle Anerkennung, die Eure Majestät auf dem 
Paradefelde ihm haben zuteil werden lassen. Möchte es dem Korps ver- 
gonnt sein, auch in den kommenden Kaisermanbvertagen diese in gleichem 
aße zu erringen. Eure Majestät haben Tausende alter Krieger durch 
gütige Begrüßung aufs höchste erfreut und geehrt. Viele von ihnen trugen 
noch die Ehrenzeichen, die sie unter den Augen Kaiser Wilhelms des Eroßen 
Majestät und Meines teuren, in Gott ruhenden Baters haben auf dem 
Schlachtfelde erwerben dürfen, wo sie für die Einheit und Wiedererrichtung 
des Reiches kämpften. Möge derselbe Geist die heutige Generation, die 
derzeit unter den Waffen steht, beseelen wie die braven alten Leute. 
Draußen auf dem Paradefelde, beim Einzug in die Residenz, auf dem 
Wege, haben ungezählte Tausende Euren Majestäten zujubeln dürfen als 
Zeichen ihrer unbegrenzten Liebe und Verehrung. Dies alles hat den 
heutigen Tag für mein Land zu einem wahrhaft nationalen Festtag ge- 
staltet. Mit unerschütterlicher Zuversicht und festestem Vertrauen blicken 
wir alle auf Eure Majestät und wissen wir Eurer Majestät stete Sorge 
für die Kriegsbereitschaft unseres Heeres zu würdigen. Wir verehren in 
Eurer Majestät das mächtige Oberhaupt unseres großen Deutschen Reiches. 
Möge die Vorsehung Eurer Majestät Kraft und Gesundheit auf lange, 
ungezählte Jahre zur Erfüllung Ihrer hohen Aufgaben bewahren. Das 
ist unser aller innigster Wunsch. In diesem Sinne erhebe Ich mein Glas 
und bitte die Anwesenden, mit mir einzustimmen in den aus tiefstem Herzen 
kommenden Ruf: Eure Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, hurra, 
hurra, hurra!“ 
Der Kaiser erwidert auf die Rede des Großherzogs: „Wollen Eure 
 
	        
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