Das Deeische Reich uud seine einfelnen Glieder. (Oktober 17.—21.) 331
für unsere Organisationen die Einwirkung auf einen schleunigen und von
liberalem Geiste erfüllten Ausbau der inneren Verwaltung Preußens an.
Was von den weitesten Kreisen des preußischen Volkes in der Organisation
seiner Verwaltung beklagt wird, ist ihre Unzweckmäßigkeit, die von der
Entwickelung des politischen und wirtschaftlichen Lebens überholt worden
ist, die Schwerfälligkeit des behördlichen Apparates und die Langsamkeit
des Verfahrens. Der Vertretertag erwartet von der geplanten Verwaltungs-
reform, daß sie kein Flickwerk darstelle oder aus kleinen Aenderungen zu-
sammengesetzt sei, sondern daß diese Reform dazu dienen möge, daß ein
neuer Geist in die Verwaltung einziehe, der darauf verzichtet, die Staats-
bürger polizeilich zu bevormunden, und der den Beamten das Recht der
vollen Entwickelung gewährleistet. Nicht die Ausdehnung der Kompetenzen
der Behörden, nicht eine Stärkung landrätlicher Macht darf die Verwal-
tungsreform bringen, sondern sie muß in immer weiterem Maße das
Bürgertum zur Mitarbeit an den öffentlichen Angelegenheiten, seinen
eigenen Angelegenheiten, heranziehen. Der Vertretertag fordert seine Ver-
eine auf, überall in diesem Sinne zur Verwaltungsreform Stellung zu
nehmen und durch eine weitgehende Pflege des Gebiets der staatsbürger-
lichen Erziehung immer weitere Schichten des Volkes zu tätiger Mitarbeit
an der Leitung der öffentlichen Arbeiten fähig zu machen.“
Ueber die Richtlinien, die für die Erziehung zum Staatsbürger
empfehlenswert sind, kam es nach langer Debatte zu keiner Beschlußfassung.
17. Oktober. (Berlin.) In drei sozialdemokratischen Ver-
sammlungen wird der Entrüstung über Ferrers Hinrichtung Aus-
druck gegeben (s. Spanien). (Auch in Breslau, Barmen und Elber-
feld finden Versammlungen von gleicher Tendenz statt.)
17. Oktober. (Eisen ach.) Feier der fünfzigjährigen Wieder-
kehr des Gründungstages des deutschen Nationalvereins.
19. Oktober. (Stuttgart.) 23. Berufsgenossenschaftstag.
Direktor Schauseil (Hamburg) beleuchtete das Verhältnis der
Berufsgenossenschaften zu den Aerzten, deren Organisationen,
besonders der Leipziger Verband, oft leicht in Kampfesstimmung geraten.
Bezüglich der Reichsversicherungsordnung wird die Erwartung ausgesprochen,
daß die Reichsregierung den ganzen Entwurf gründlich umarbeiten läßt,
um das Selbstverwaltungsrecht der Verufsgenoffenschaften zu sichern und
einen neuen kostspieligen Beamtenapparat zu sparen.
19. Oktober. (Berlin.) Der Vorstand des Berliner Goethe-
Bundes veröffentlicht wegen der Hinrichtung Francisco Ferrers
einen „lauten Protest dagegen, daß man im Staate Philipps II.
noch immer die Posas aus dem Hinterhalt erschießt, wenn fsie
Gedankenfreiheit fordern“.
21. Oktober. „Zentrum ist Trumpf.“
Die „Kölnische Zeitung“ weist gegenüber der Behauptung der
„Kölnischen Volkszeitung“, daß das vom Abgeordneten Bassermann bei
der Eisenacher Feier gebrauchte Zitat „Zentrum ist Trumpf“ dem Hetz-
arsenal der Gegner des Zentrums entstamme, „die damit den protestan-
tischen Volksteil aufregen wollten“, den wahren Ursprung dieses Kraft-
wortes nach. Es stammt vom Dechanten Dr. Hammer, der es mit Emphase