Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Vensche Reich und seine eim#elnen Glieder. (Dezember 9.) 355 
zurückbleiben. Davon haben die verbündeten Regierungen für 1910 etwa 
5/ eingestellt. So ergeben sich von dem gesamten Betrag von 500 Millionen 
etwa 300 Millionen neue Einnahmen; darunter 52 Millionen an neuen 
Steuern und den Rest an neuen Zöllen. Im ganzen werden sich die Aus- 
gaben für diesen Etat gegen den von 1909 um 307 Millionen Mark 
erhöhen. 
Unter den Ausgaben des außerordentlichen Etats befinden sich in 
erheblichem Umfange Ausgaben, die eigentlich unter dem Ordinarium zu 
bestreiten wären. Das sind in concreto die Besoldungsvermehrungen 
für 1909, die Nachzahlungen für 1908 u. a. Es muß unbedingt heißen, 
keine neuen Ausgaben nicht werbender Art auf Anleihen übernehmen. 
Allerdings wäre es nicht möglich, alles, was wir bisher auf Anleihe ge- 
bracht haben, ohne weiteres auf das Ordinarium zu übernehmen. Wir 
können nicht die Ausgaben für die Flotte, für die Festungen, den Kaiser- 
Wilhelm-Kanal, für Telegraphenanlagen u. a. ohne weiteres auf das 
Ordinarium übernehmen. Immerhin ist es doch gelungen, den Anleihe- 
betrag nicht unerheblich zu reduzieren. Im Etat für 1909 stehen 202 
Millionen Anleihe. In Wirklichkeit gehören die 148 Millionen im Nach- 
tragsetat dazu, so daß tatsächlich 380 Millionen 1909 herauskommen. 
Dem gegenüber ist die gegenwärtige Anleihe erheblich reduziert. Nun wäre 
an sich ja auch der Betrag der Anleihe nicht so sehr furchterregend. Wenig 
günstig ist nur, daß er zeitlich zusammentrifft mit dem bedeutenden Be- 
trage, den der Nachtragsetat fordert. 
Zur Beruhigung des Geldmarktes will ich nicht unterlassen, aus- 
drücklich hervorzuheben, daß es keineswegs in unserer Absicht liegen kann, 
diese großen Beträge alsbald und unvermittelt insgesamt zu vergeben. 
Der gesamte Betrag kann ja nicht etwa in Wolken über unsern Finanzen 
gehüllt bleiben, aber wir werden das möglichste tun, ihn zu zerteilen. 
Dafür sorgt auch schon unser Reichsfinanzgesetz, indem es vorschreibt, daß 
der Fehlbetrag für 1909 auf die Jahre 1911 bis 1913 verteilt werden 
soll. Damit ist für den Nachtragsetat eine andere Behandlung vorgesehen 
als für den Rest. 
Wenn auch nicht behauptet werden kann und soll, daß unsere Fi- 
nanzen schon den Höhepunkt erreicht haben, so ist doch zu berücksichtigen, 
daß unsere Reichs- und Staatsanleihen sehr wesentlich auch durch andere 
Momente beeinflußt werden als durch die Ungunst der Finanzlage. Ich 
meine den außerordentlich starken Andrang von festverzinslichen Papieren 
aller Art zum Geldmarkt. Auch wenn unsere Finanzlage wieder den 
günstigen Stand erreicht hat, so ist damit noch keineswegs garantiert, daß 
unsere Anleihen den ihnen zukommenden Kursstand wieder einnehmen 
werden, wenn das gewaltige Netz von Anleihepapieren aller Art seinen 
Einfluß ausübt. Der Vorschlag, den vorübergehenden Kredit des Reichs- 
kanzlers von 600 auf 450 Millionen herabzusetzen, ist ein Zeichen wieder- 
kehrender Gesundung. Eine weitere Entlastung tritt dadurch ein, daß 
vom 1. Januar n. J. ab die Vorschüsse für die Unfallgenossenschaften in 
Wegfall kommen. Noch ein Wort über den Fehlbetrag von 1909. Wenn 
die alten Zölle von 1909 hinter den Erwartungen und Schätzungen zurück- 
bleiben, so vermehrt sich der Fehlbetrag. Wir haben bei der Reichsbank 
mit dem erheblichen Einnahmeausfall von 19 Millionen zu rechnen, auf 
einen Minderüberschuß der Post- und Telegraphen-Verwaltung von 3½ Mil- 
lionen. Der Heeresetat wird Mehrausgaben von 51½ Millionen erfordern. 
Ich gelange schließlich zu den Ausgaben des laufenden Etats. Man hat 
vielfach gefragt, ob die Kürzungen im Etatsentwurf für 1910 bei den 
großen Mehreinnahmen, die wir zu erwarten hätten, überhaupt nötig seien. 
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