Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Des Denisqhe Reiq und seine einzelnen Slieder. (Dezember 13.) 395 
größte politische Armutszeugnis für das deutsche Volk. Herr Dr. Müller 
(Meiningen) will uns unseren jetzigen Toleranzantrag unter vier Bedin- 
ungen konzedieren; auf diesen Kuhhandel gehen wir nicht ein. Ist der 
ntrag gut, so müssen Sie ihn bedingungslos annehmen. Auf die elsäs- 
sischen Angelegenheiten können wir von hier aus keinen Einfluß nehmen; 
meine persönliche Meinung ist, daß diese unerquicklichen Kirchhofdinge dort 
einmal ein Ende nehmen, dazu gehört aber, daß eine entgegenstehende 
uralte Ruine aus der französischen Revolutionszeit verschwindet. Mit den 
gemischten Ehen steht es ebenso. Paritätsschnüffelei treiben wir nicht, 
ebensowenig treiben wir konfessionelle Verhetzungen und Zersetzungen. 
Warum das Gesetz über die Veteranenbeihilfen nicht in Kraft gesetzt worden 
ist, darüber wird in der Oeffentlichkeit allerlei Falsches berichtet. Die 
Kommission hat einstimmig das Datum offen gelassen, weil Geld eben 
noch nicht vorhanden war. Ferrer ist als verruchter Mordbube zu Recht 
hingerichtet worden. Soll man ihm etwa Denkmäler setzen, ihn zum Ehren- 
mitglied der sozialdemokratischen Partei ernennen? (Heiterkeit rechts und 
im Zentrum.) Für den wollen Sie sich begeistern? (Rufe links: Unsinn!) 
Sie haben gejubelt über das Mordurteil! In einer sozialdemokratischen 
Versammlung in Nürnberg hat man direkt gesagt, das Blut Ferrers werde 
mit Blut gefühnt werden, und die Schuldigen würden das Schicksal des 
Königs von Portugal teilen. Das sagt genug. In Spanien bestehen 
26,000 Volksschulen; Herr Dr. Frank aber sagte, Spanien habe keine Schulen. 
Das Manko trifft ausschließlich Städte, die in radikalen Händen sind, gerade 
so wie in Berlin. (Zustimmung im Zentrum, Große Unruhe links.) Ich 
habe an den Staatssekretär des Auswärtigen zwei Fragen zu richten. Ist 
es wahr, daß im Mannesmannschen Syndikat das deutsche Kapital die 
Mehrheit und Führung hat, während es sich im französischen in der Minder- 
heit befindet? Und zweitens, ist es wahr, daß das französische Syndikat 
überhaupt bisher keine Bergwerkskonzessionen besessen hat? Trifft das 
zu, so ist das deutsche Schiedsgericht nur ein Mittel, um deutsche Inter- 
essen zu schädigen. 
Staatssekretär des Auswärtigen Frhr. v. Schoen: Ich bin nicht 
genau darüber unterrichtet, in welchem Syndikat der größere Teil der 
deutschen Interessen vertreten ist. Es hat den Anschein, als ob das in 
dem Mannesmannschen der Fall ist. Zahlen stehen mir jedoch nicht zur 
Verfügung. In der Budgetkommission hoffe ich nähere Auskunft erteilen 
zu können. Ich mache darauf aufmerksam, daß auch in dem anderen 
Syndikat, obwohl es einen französischen Namen führt, auch sehr namhafte 
deutsche Interessen vertreten sind. Ziffernmäßig kenne ich sie nicht, sie 
dürften aber nicht gering anzuschlagen sein aus dem Grunde, weil dabei 
eine Firma beteiligt ist, die in Marokko bereits bergmännisch tätig gewesen 
ist. Das französische Syndikat Union des Mines Maroccaine 94. keine 
Minenkonzession erworben aus dem einfachen Grunde, weil es auf dem 
Rechtsstandpunkt steht, daß Konzessionen überhaupt noch nicht erworben 
werden können, da die Rechtsgrundlage fehlt. Das ist ja eine der großen 
Fragen. Anders liegt es mit den Ansprüchen. Solche hat das Syndikat 
insofern, als es Arbeiten in Marokko, wie Expeditionen, Schürfarbeiten usw., 
bereits unternommen hat. Das gibt einen gewissen moralischen Anspruch. 
Ich werde über diese ganze Angelegenheit noch gründlich in der Kommission 
sprechen, jetzt vehme ich gerade im Interesse der Sache davon Abstand. 
Die juristischen internationalen und nationalen Schwierigkeiten sind nicht 
neu, sie bestehen seit Jahr und Tag. Wir haben uns redlich bemüht, 
einen Ausweg zu finden und diesen zuerst in einer Verständigung der 
Interessenten untereinander erblickt. Wir haben nach beiden Seiten die
	        
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