Das Dentsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 27.—29.) 407
„demokratischen“ abwechseln. Um aus der dritten Abteilung heraus-
zukommen, sind in 18 Urwahlbezirken über 100000 Mark, in 145 Be-
zirken 30 500 bis 100000 Mark, in 834 Bezirken 9500 bis 30500 Mark
Einkommen erforderlich. Diesen Bezirken standen aber 420 andere,
fast durchweg ländliche gegenüber, in denen das höchste Einkommen der
dritten Abteilung 900 Mark nicht überstieg, und 742 Bezirke, in denen
die Obergrenze zwischen 900 und 1050 Mark lag. Wenn im ersten Falle
selbst Millionäre in der dritten Abteilung verbleiben müssen, so kann in
den Bezirken der zweiten Art schon der leidlich bezahlte Arbeiter in die
zweite Abteilung aufrücken. Ob und wann das eine oder das andere
eschieht, ist zumeist von der „Steuernatur“ der einzelnen Orte bedingt;
iervon macht selbst Berlin nicht eine Ausnahme. Denn wenungleich es
hier 11 Urwahlbezirke gab, in denen die „Obergrenze“ der dritten Ab-
teilung über 100000 Mark hinauslag, so bleibt anderseits in 25 Bezirken
die Grenze hinter 1500 Mark Einkommen zurück. Nicht allein der bunt-
gemischte „Mittelstand“, sondern auch viele qualifizierte Arbeiter können dem-
nach trotz des „plutokratischen“ Wahlrechts der zweiten Abteilung angehören.
Nach ihrer Parteistellung verteilten sich die Urwähler wie folgt:
Es kamen auf die Sozialdemokraten 23,8 v. H., das Zentrum 19,9 v. H.,
die Konservativen 141,1 v. H., Nationalliberalen 12,7 v. H., Polen, Dänen
usw. 9,0 v. H., Freisinnige Volkspartei 3,9 v. H., Freikonservative 2,5 v. H.,
Freisinnige Vereinigung 0,88 v. H., Bund der Landwirte 0,6 v. H., Anti-
semiten u. dgl. 0,36 v. H. Seit 1903 haben die Sozialdemokraten in allen
Abteilungen gewonnen, die Konservativen sind sowohl von ihnen wie von
dem Zentrum weit überflügelt worden.
27. Dezember. (Bromberg.) Zum ersten Geschäftsführer des
Hansabundes wird der Oberbürgermeister Knobloch gewählt.
28. Dezember. (Magdeburg.) Die Vertreterversammlung
des Preußischen Lehrervereins beschließt eine Petition an die Re-
gierung, worin eine Regelung des Disziplinarverfahrens nach dem
Muster des für die Reichsbeamten gültigen und bei der bevor-
stehenden Verwaltungsreform folgende vier Punkte verlangt werden:
1. daß die Verwaltung des gesamten höheren und niederen Schul-
wesens einem besonderen Unterrichtsministerium übertragen werde,
2. daß in allen Instanzen der staatlichen Schulverwaltung Lehrer
und andere Personen, die des Erziehungswesens kundig sind, zur ehren-
amtlichen Mitwirkung herangezogen werden,
3. daß der Schule der durch ihre Eigenart bedingte Schutz vor zu weit-
gehender einseitig persönlicher Einwirkung, der jetzt bis zu einem gewissen
Grade in der Bezirksinstanz durch die kollegiale Verfassung der Abteilungen
für Kirchen= und Schulwesen gewährt ist, mindestens erhalten bleibe und
deshalb diese Abteilungen nur unter der Bedingung beseitigt werden, daß
für sie ein nach dieser Richtung hin vollwertiger Ersatz geschaffen wird,
4. daß die hauptamtliche Kreisschulinspektion durch Fachleute, die
sich im Dienst der Volksschule praktisch bewährt haben, zur allgemeinen
Durchführung gelange, daß aber die Disziplinarbefugnisse dieser Instanz
eine Erweiterung nicht erfahren.
29. Dezember. Gegen die Beschlagnahme russischer Guthaben
bei dem Berliner Bankhause Mendelssohn u. Co. wird der Kom-
petenzkonflikt erhoben und die vorläufige Aufhebung verfügt.