Die erreichisch uUn garische Meserchie. (Januar 27. 29.) 411
eine zahlreich besuchte Volksversammlung die Handelsbeziehungen mit
reichsdeutschen Firmen abzubrechen, auf die Beseitigung der Einfuhr preu-
ßhischer Kohlen hinzuwirken und den Vorbehalt der Kohlenaufsuchung,
woran sich deutsche Unternehmer lebhaft beteiligen, für das Land Galizien
anzustreben.
27. Januar. (Ungarn.) Ministerpräsident Dr. Wekerle be-
antwortet im Abgeordnetenhaus in Pest eine Interpellation in betreff
des Hochverratsprozesses wegen der großserbischen Bewegung, der
in Agram begonnen hat.
Er verwahrte sich gegen die Behauptung, daß es sich um einen
politischen Tendenzprozeß handele und erörterte eingehend die südflawische
Bewegung, die sich in Bosnien, der Herzegowina und Kroatien kundgegeben
habe. „Wir waren bekanntlich genötigt"“, erklärte der Ministerpräsident,
„zur Annexion zu schreiten, weil wir in Bosnien einen verfassungsmäßigen
Zustand einführen wollten, wozu vorher eine endgültige Regelung unseres
Verhältnisses zu diesem Lande herbeigeführt werden mußte. Die seit längerer
Zeit in diesen Gebieten zutage tretende großserbische Bewegung hat die
Annexion beschleunigt. Wir standen so bedenklichen Symptomen gegenüber,
daß wir genötigt waren, schleunigst zu handeln und die Einverleibung so
schnell wie möglich proklamieren mußten. Die großserbischen Agitatoren
verbreiteten im Landvolke die Meinung, daß diese Gebiete rechtmäßig zu
Serbien gehörten und demnächst Serbien angegliedert werden würden.
In den Schulen wurde den Kindern erzählt, der König von Serbien sei
ihr rechtmäßiger Herrscher, und sein Bild wurde in Tausenden von Exem-
plaren unter der unwissenden Landbevölkerung verteilt. Ich bitte, diese
Symptome nicht zu unterschätzen. Der Staatsanwalt war genötigt, gegen
die Führer jener Agitation einzuschreiten. Alles, was über eine grausame
Behandlung der Untersuchungshäftlinge verbreitet worden ist, ist Erfindung."“
Auf eine Bemerkung Polits, als ob sich die Aktion gegen die serbischen
Bewohner Ungarns richte, erklärte der Ministerpräsident: „Die Staats-
bürger serbischer Nationalität in Ungarn genießen allgemeine Achtung,
ihre Autonomie bezüglich der Pflege ihrer Kultur, Sprache und ihrer
Kirche ist durch die Verfassung garantiert. Der jüngst in Karlowitz ab-
gehaltene serbische Kongreß hat bewiesen, welche ausgedehnte Selbstverwal-
tungsrechte die serbische Nationalität in Ungarn genießt.“ Das Haus
nahm diese Erklärung mit Beifall auf.
29. Januar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Verhand-
lungen der Dringlichkeitsanträge über die nationalen Verhältnisse
in Böhmen.
Abg. Hubka erklärt in tschechischer Sprache, daß zur Regelung der
Sprachenfrage nur der böhmische Landtag zuständig sei. Abg. Micl er-
klärte, die Deutschen erwarteten von Wien nichts mehr, sie seien entschlossen,
selbst sich zu helfen, wenn es gehe im Wege des Gesetzes, wenn nicht, im
Wege der Gewalt. Abg. Wolf erklärte im Schlußwort, die Deutschen hätten
es entschieden satt, sich noch länger eine Behandlung, wie sie den deutschen
Studenten in Prag zuteil werde, gefallen zu lassen. Sie würden zu den
äußersten und schärfsten Mitteln greifen, um sich Schutz zu verschaffen,
aber auch zu den schärfsten Mitteln gegen die Regierung, die in einer
solchen Weise ihre Furcht vor den Tschechen und ihre Abneigung und den
Mangel an Interesse für die Deutschen bekunde. Hierauf besprach Abg.
Fresl die Bedrückung der tschechischen Minderheiten in Böhmen.