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Grenze der Zulässigkeit, hat sich nicht geändert. Das ist eine Tatsache,
welche Europa bekannt ist und durch Entstellung und Unterstellung nicht
aus dem öffentlichen Urteile Europas weggeschafft werden kann. Von der
serbischen Politik zur bosnischen Frage führt kein Weg, keine Brücke.
Dennoch hat Serbien, als wir unsere Stellung in Bosnien präzisierten,
zu rüsten angefangen, und wenn nicht schon diese fatale Gleichzeitigkeit
einem vollen Geständnisse der wahren Absichten gleichkäme, würden über
den Zweck der serbischen Rüstungen die unverblümten Aeußerungen hoch-
stehender Persönlichkeiten, der angesehensten Politiker und Zeitungen in
Belgrad mit nicht mehr zu üÜberbietender Deutlichkeit Auskunft geben.
Es ist kein Zweifel darüber möglich, was Serbien in Wirklichkeit will.
Serbien mochte sich auf eine Etappenpolitik einrichten und verlangt heute
einen Teil Bosniens, um bei guter Gelegenheit künftig seine Hand nach
dem Ganzen auszustrecken. So ist kein Zweifel daran möglich, daß
Serbiens ganze Politik und daß seine Rüstungen ausschließlich gegen uns
gerüstet sind. Wenn Serbien der Meinung ist, daß seine Politik eine
kriegerische und daß diese kriegerische Politik gegen uns gerichtet sein
müsse, so hat es darüber als selbständiger Staat allein zu entscheiden, es
ist aber selbstverständlich, daß die Politik Oesterreich-Ungarns davon nicht
unbeeinflußt bleiben kann, und daß sie daraus jene Konsequenzen ableiten
muß, welche im gleichen Falle jede auf ihre Würde bedachte Großmacht
für notwendig und unumgänglich erachten würde. Dies wird man sowohl
in Belgrad bedenken müssen, wie es auch alle Großmächte nicht werden
aus dem Auge verlieren dürfen.“
24. Februar. Verschärfung der serbisch-österreichischen Krise.
Man rechnet in Oesterreich sehr stark mit der Möglichkeit, daß
Serbien zu Feindseligkeiten übergeht. Auch schenkt man den Meldungen
Glauben, wonach Serbien nun doch die vielgenannte Denkschrift über seine
Ersatzansprüche an die Mächte absenden wolle. Trotzdem hofft man noch
immer, daß der Krieg vermieden werde. Allerdings weist man darauf
hin, daß Iswolskis zweideutiges Spiel andauernd die Gefahr eines solchen
Zusammenstoßes offenhalte, denn während er in Belgrad jetzt tatsächlich
erklären lasse, Rußland könne für Serbien nichts tun, wenn es zur Er-
öffnung von Feindseligkeiten schreite, sollen seine Versicherungen in Paris
und London dahin lauten, er werde im Falle des Ausbruchs eines
österreichisch-serbischen Krieges durch die öffentliche Meinung Rußlands
gezwungen werden, Serbien nicht allein zu lassen. Iswolski zeige sich
hier wieder als schlechter Kenner der menschlichen Psyche. Denn der Zweck
seiner Drohungen in Paris und London sei, Oesterreich-Ungarn ein-
zuschüchtern und ihm das Gespenst eines russischen Rückenangriffs vor-
zugaukeln. Dieser Zweck werde aber völlig verfehlt, da Oesterreich-Ungarn
wohl wisse, daß Rußland für ein militärisches Handeln ganz unvorbereitet
sei und außerdem gewärtigen müsse, durch den Angriff auf Oesterreich-
Ungarn einen europäischen Krieg zu entfesseln, da dann der casus foederis
für Deutschland und Italien aus dem Dreibundvertrag gegeben sei, was
wieder den casus foederis für Frankreich zur Folge hätte. Um Serbiens
willen ein europäischer Krieg, das wäre selbst für Iswolskis leichtfertig
unstäte Politik zu grotesk, um so grotesker, da Frankreich dabei gezwungen
wäre, Rußland beizustehen in einer Sache, die weitab läge von dem eigent-
lichen Bündniszweck unter Schädigung der Interessen seiner eigenen Sparer,
die an russischen Werten über eine Milliarde, an serbischen beinahe eine
halbe Milliarde besitzen. Der Zweck, Wien durch diese Drohung ein-
zuschüchtern, sei unter solchen Gesichtspunkten deutlich erkennbar, daher