Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

420 Vie Sterreichisch-ungerische Menarie. (März 28. 31.) 
Deutschland für das Recht und die Vorgangsweise seiner verbündeten und 
engbefreundeten Macht ohne das geringste Zaudern mit einer Nachdrücklich- 
keit und Beharrlichkeit ein, die hier kein anderes Gefühl als das warmer 
Anerkennung wecken konnte. Ohne den leisesten Versuch, auf die Entschlüsse, 
die Oesterreich-Ungarn für die Weiterführung der bosnischen Angelegenheit 
mit Selbständigkeit zu fassen hatte, Einfluß zu nehmen, tat das Berliner 
Kabinett mit freundschaftlichem Eifer alles, was es im Hinblick auf das 
vor Jahrzehnten geflochtene enge Verhältnis zur Monarchie in Erwiderung 
der von dieser erwiesenen Dienste, zum Schutz der Stellung der alliierten 
Mächte auf dem Gesamtgebiet der europäischen Politik als Pflicht erkannte.“ 
28. März. (Prag.) Als die tschechischen Ansammlungen auf 
dem Wenzelsplatz gegen den Sonntagsbummel der deutschen Stu- 
denten eine Verhaftung verhindern wollen und Hochrufe auf Serbien 
ausstoßen, geht die Gendarmerie mit gefälltem Bajonett vor. 
31. März. (Wien.) Wiederwahl Luegers auf neue sechs J.hre 
zum Bürgermeister. 
Er benutzte seine Dankrede zu einer politischen Kundgebung für den 
Friedenskaiser und die Bundestreue des Deutschen Reiches, die von 
den Gemeinderäten mit stürmischem Beifall und Händeklatschen auf- 
genommen wurde. 
31. März. Ungarische Preßstimmen über Deutschland. 
Der „Pester Lloyd“ sagt, die Bundestreue Deutschlands sei das 
ganze Geheimnis des Erfolges der österreichisch-ungarischen Politik gewesen. 
Ohne die hingebungsvolle und opferfreudige Bundesfreundschaft Deutsch- 
lands könnte heute Europa der Schauplatz eines blutigen Krieges sein, 
darum habe ganz Europa Deutschland zu danken. Heute fühle jeder Ungar, 
was Wekerle gesagt habe, daß das Bündnis in den Gefühlen der Nation 
Wurzel geschlagen habe. Der „Pesti Hirlap“ verweist darauf, daß sich 
der Dreibund, besonders aber das Bündnis mit Deutschland, in schwierigen 
Augenblicken glänzend bewährt habe. Der dadurch erreichte große Erfolg 
werde das Bündnis für ein halbes Jahrhundert weiter lebensfähig machen. 
Nach den Ereignissen der letzten Zeit müsse man in Ungarn mit starker 
Ueberzeugung und aufrichtiger Gesinnung an diesem Bündnis unentwegt 
festhalten. Der „Egyetertes“ hebt hervor, daß in der gestrigen Sitzung 
des Reichstags gerade jene Stelle der Rede Wekerles am meisten Beifall 
gefunden habe, die der Verherrlichung des deutschen Bündnisses gewidmet 
war. Der „Magyarorszag“, der bisher ein Gegner des Bündnisses 
war, schreibt, Wekerles Aeußerung sei keine leere Phrase gewesen, da der 
Bund mit Deutschland tatsächlich in dem Herzen des ungarischen Volkes 
wurzelt. Wenn es hier bisher Gegner des Bündnisses gegeben habe, so 
müsse jetzt jedes Widerstreben aufhören. Selbst wenn Bülow recht hatte, 
als er sagte, daß Deutschland im eigenen Interesse gehandelt habe, folge 
daraus, daß die Monarchie und Deutschland aufeinander angewiesen seien. 
Deutschland habe jedoch mehr getan, als seine Pflicht war, und deshalb 
sprach Wekerle jedem Ungarn aus dem Herzen. Das Organ der Un- 
abhängigkeitspartei führt aus, Deutschland habe ein glänzendes Vorbild 
egeben, wie ein ehrlicher und treuer Bundesgenosse handeln müsse. Es 
fei im ungarischen Parlament ungewöhnlich, fremde Nationen zu feiern; die 
gestrige Kundgebung aber, in der sich zwei ritterliche Nationen begegneten, 
gereiche beiden zur Ehre. Das Oppositionsblatt „Pesti Naplo“ glaubt, 
der Erfolg der deutschen Diplomatie sei größer als derjenige Aehrenthals.
	        
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