Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Bie Kerreichisch-unserische Morarchie. (August 9.—19.) 425 
rischen Moment ist es aller Welt offenkundig geworden, daß die öster- 
reichisch-ungarische Politik sich und ihren ursprünglichen Absichten treu 
geblieben ist, daß sie nur ihr Recht an sich genommen hat und im richtigen 
Augenblick die Konsequenzen zog, die einer Notwendigkeit entsprechen. Die 
jüngste Orientkrisis konnte rascher überwunden werden, wenn die englische 
Politik statt von einer rein formalen Auslegung des Berliner Bertrages 
sich von dem Gefühl der traditionellen Freundschaft hätte leiten lassen, 
sowie von der realpolitischen Erwägung, daß Oesterreich--Ungarn und 
England an keinem Punkte der Welt durch unvereinbare Interessen ge- 
schieden sind, und von der Erinnerung, daß infolgedessen die beiden Mächte 
häufig einander unterstützen konnten.“ Das „Fremdenblatt" schließt: „Wenn 
in England das Verständnis dafür, daß es auch für die eigene Politik 
nützlich ist, der Tradition in den Beziehungen der beiden Mächte eingedenk 
zu bleiben, neuerdings Wurzel fassen sollte, so könnten wir das nur mit 
Freude begrüßen.“ 
9. August. (Wien.) Deutsch-nationale Kundgebung gegen 
eine Versammlung der Tschechen im 16. Stadtbezirk. 
Von der berittenen Polizei werden mehrere Personen verletzt und 
vier verhaftet. 
10. August. Oesterreich--Ungarn und Großbritannien. 
Für die Tatsache, daß König Eduard von Marienbad aus dieses 
Mal nicht zum Besuche des kaiserlichen Hoflagers nach Ischl fährt, werden 
in der Presse verschiedene Erklärungsgründe angeführt. Dazu 
bemerkt das „Fremdenblatt“: „Das Freundschaftsverhältnis, das die beiden 
Souveräne seit vielen Jahren pflegen, erfuhr keine Einbuße an Herzlich- 
keit und noch weniger eine Unterbrechung, und ist heute wie immer aufs 
sicherste begründet. Was für das persönliche Verhältnis der beiden Herrscher 
als unzutreffend bezeichnet werden muß, gilt allenfalls für die politischen 
Beziehungen beider Länder, die letzte Zeit allerdings eine gewisse Trübung 
erfuhren. Auch diese Periode der Mißverständnisse und Gegnerschaften 
kann heute wohl als überwunden betrachtet werden, da schließlich auch 
England seine Zustimmung zur Annexion erteilte.“ Das „Fremdenblatt“ er- 
innert an die Wirkung der ursprünglich so entschieden gegen Oesterreich- 
Ungarn gekehrten Politik Englands und sagt: „Gewiß war die bosnische 
Angelegenheit eine Frage der Auslegung der Verträge; aber in Oesterreich 
mußte es jedenfalls größte Verwunderung erregen, daß man englischerseits 
bei dieser Interpretierung mit vehementer Einseitigkeit nur die Interessen 
der Türkei, niemals aber die unserigen in Betracht zog, was wir wegen 
der traditionellen Beziehung zwischen unserer Monarchie und England mit 
Fug und Recht hätten erwarten dürfen. Ein Ergebnis unserer damaligen 
Politik ist, daß uns heute in Ansehung der im nahen Orient zu befolgen- 
den Politik keine prinzipiellen Gegensätze mehr von England trennen und 
wir mit England Hand in Hand schreiten können.“ 
17. August. Der Kaiser erhebt den Minister des Aeußeren 
Freiherrn v. Aehrenthal wegen seiner „der Monarchie geleisteten 
ausgezeichneten Dienste“ in den Grafenstand. 
19. August. (Ungarn.) Sprachverordnungen. 
Die Verfügung des Kultusministers, den Religionsunterricht an 
den rumänischen Schulen in ungarischer Sprache zu erteilen, stößt auf 
immer größern Widerstand des rumänischen Klerus, der sich weigert, der
	        
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