Die õserreitisq ·nugarische Menarchic. (Oktober 18.—November 2.) 433
18. Oktober. (Wien.) 220cchristlich-soziale Volksversamm-
lungen.
Es sprechen die Führer Lueger, Weißkirchner, Pattai, Prinz Liechten-
stein und Geßmann. Drei Beschlußanträge werden angenommen. Der erste
drückt anläßlich des Wiederzusammentrittes des Reichsrates die Hoffnung
auf Arbeitsfähigkeit des Abgeordnetenhauses aus und spricht das tiefste
Bedauern darüber aus, daß infolge einer selbstsüchtigen Beweggründen
entsprungenen Obstruktion dessen Tätigkeit lahm gelegt worden sei. Der
zweite verurteilt die tschechischen Angriffe auf den deutschen Charakter
Wiens und Niederösterreichs und fordert gesetzlichen Schutz der deutschen
Sprache im Lande. Der dritte beschäftigt sich mit der ungarischen und
bosnischen Frage und erhebt Einspruch gegen neue Zugeständnisse an
Ungarn, welche die Reichseinheit und Gemeinsamkeit des Heeres schädigen
und die Reichslande zu einer Domäne madjarischer Herrschgelüste machen
könnten.
30. Oktober. (Cisleithanien.) Der Ministerrat beschließt
gegen die Stimmen seiner beiden tschechischen Mitglieder, Landsmann=
minister Zatschek und Ackerbauminister Braf, die Gesetzentwürfe
der vier Kronländer Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg
und Vorarlberg zur Aufrechterhaltung ihres rein deutschen Cha-
rakters dem Kaiser zur Genehmigung zu unterbreiten. Die beiden
tschechischen Minister erklären deshalb ihren Austritt aus dem
Ministerium.
2. November. (Cisleithanien.) Die von den Landtagen
von Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg be-
schlossenen Gesetzentwürfe über den Gebrauch der Landessprache in
den Landtagen und bei den autonomen Behörden, ferner über den
Gebrauch der Unterrichtssprache an den staatlichen und Landes-
Lehrer= und Lehrerinnenbildungsanstalten sowie an den Landes-
realschulen erhalten die Genehmigung des Kaisers.
Anfang November. (Cisleithanien.) Der Finanzminister
legt dem Abgeordnetenhaus Vorlagen über neue Steuern im Gesamt-
betrage von 42 Millionen Kronen für den Staat und 20 Millionen
für die einzelnen Kronländer vor.
Aus der Erhöhung der Branntweinsteuer von 90 auf 140 Kronen
pro Hektoliter wird für den Staat eine Mehreinnahme von 15 Millionen
erwartet. Die progressive Personaleinkommensteuer wird bis zu 6 1: Prozent,
dem höchsten in irgendeiner Steuererhebung bestehenden Satz, gesteigert,
wobei Haushaltsvorstände, die für keine oder nur für eine weitere Person
zu sorgen haben, noch 15 oder 10 Prozent Zuschlag zu zahlen haben.
Von einer Besteuerung der natürlichen und künstlichen Mineralwasser
werden über 4 Millionen Kronen erwartet. Die Erbschafts= und Schenkungs-
steuer soll für Aszendenten, Deszendenten und Ehegatten von 114 auf
4 Prozent, für Verwandte bis zum dritten Grade von 5 auf 13 Prozent,
für sonstige Erbanfälle von 10 auf 18 Prozent des Nachlaßwertes erhöht
Europäischer Geschichts-alender. L. 28