30 Has Vetsche Reich und seine einfelnen Glieder. (Januar 24.—26.)
Der Geistliche wird auf den Mitvorsitz im Ortsschulrat beschränkt,
der mit der technischen Aufsicht nichts zu tun hat, dem vielmehr nur die
Schulpflege zukommt. Der Ortsschulrat kann seinen Mitvorsitzenden, den
Ortsgeistlichen, oder ein Laienmitglied mit Schulbesuchen beauftragen. Der
Besuchende ist aber nicht besugt, Anordnungen zu treffen. Ein Antrag
des Zentrums auf Beibehaltung der geistlichen Ortsschulaufsicht wurde nur
von einem Konservativen unterstützt.
24. Janugr. Wahlrechtskundgebungen.
Die Sozialdemokraten halten in Berlin zahlreiche Versammlungen
ab und veranstalten dann mittags 12 Uhr Straßenumzüge mit Hochrufen
und Gesängen. Die Polizei hielt die Umgebung des Schlosses und die
Straße „Unter den Linden“ gesperrt.
Auch in Magdeburg und in Halle fand ein Kundgebungsumzug statt.
25. 26. Januar. Wahlrechtsdebatte im Preußischen
Abgeordnetenhaus.
Es liegen zwei Wahlrechtsanträge vor. Der freisinnige Antrag
Aronsohn lautet: 1. Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit
geheimer Stimmabgabe einzuführen; 2. zugleich auf Grund der vorläufigen
Ergebnisse der Volkszählung von 1905 und entsprechend den Grundsätzen
des Gesetzes von 1860 eine anderweitige Feststellung der Wahlbezirke für
die Wahlen zum Abgeordnetenhause herbeizuführen und die Gesamtzahl
der Abgeordneten neu zu bestimmen. Der polnische Antrag (Szuman)
verlangt dasselbe.
Minister des Innern v. Moltke: Aus der neulichen Rede des
Ministerpräsidenten und aus früheren Kundgebungen der Regierung ist
bekannt, daß seit längerer Zeit Borarbeiten im Gange sind, welche die
Frage einer Gestaltung der Wahlreform betreffen. Diese Vorarbeiten be-
wegen sich auf dem Gebiete der Wahlstatistik seit der letzten Landtagswahl.
Sie werden mit Nachdruck betrieben, verlangen aber, wie es die Natur
statistischer Arbeiten bedingt, eine gewisse Zeit zu ihrer Erledigung. Eine
spezielle Uebersicht über alle Erwägungen und Entschließungen, welche auf
diesem wichtigen Gebiet sich als unabweislich notwendig zeigen, ist er-
forderlich. Die früheren Statistiken reichen nicht aus, sie sind überholt
durch die letzte Wahl, bei welcher zum ersten Male die neuen Wahl-
vorschriften, ferner die neue Einkommensteuer wirkte, sowie die Sozial-
demokratie zum ersten Male in den Wahlkampf eingetreten ist und beie
welcher auch sonstige Parteikonstellationen ihre Wirkung auf die Wahl-
beteiligung ausübten. Dazu kommt, daß die früheren Wahlstatistiken nicht
mit den Feststellungen vorbereitet waren, die bei den gegenwärtig schweben-
den Erwägungen von Bedeutung sein müssen. Dem Hause ist bekannt,
daß auch die Wählerlisten aus diesem Grunde bei der letzten Wahl auf
eingehendere Erhebungen eingerichtet werden mußten als früher. Andern-
falls hätte es an einer Handhabe gefehlt, gewisse Merkmale des Besitzes,
der Steuerkraft, des Alters der Wähler statistisch zu erfassen, Merkmale,
auf deren Prüfung im Hinblick auf die bei früheren Beratungen der Wahl-
reform in diesen abgegebenen Erklärungen der Regierung nicht verzichtet
werden dürfte. Sobald die allgemeine Wahlstatistik vorliegt, wird es er-
forderlich sein, noch spezielle Wahlstatistiken in Musterbezirken folgen zu
lassen, welche die Wirkungen der Abänderungen der Wahlvorschriften ver-
anschaulichen. Es wird auch bei den Vorarbeiten Zeit verloren gehen, aber
kein Minister des Innern wird in der Frage der Wahlreform ohne solche
sorgfältig durchgeführten Vorermittelungen mit Vorschlägen an das Haus