444 Spanien. (April 29.—Juni 15.)
Führer oder Anstifter der Strafe. Auch die gesetzlich gebildeten Vereine
können derartige Ausstände oder Stillegungen beschließen, aber sie dürfen
ihre Mitglieder dazu nicht durch Mittel zwingen, die die freie Ausübung
ihrer bürgerlichen Rechte beeinträchtigen. Jene können vielmehr aus dem
Vereine austreten, ohne dafür einer Verantwortung zu unterliegen, es sei
denn, daß es sich um Verpflichtungen zivilrechtlicher Art handelt. Die
Amtsgerichte sind zur Aburteilung der diesem Gesetz unterliegenden Straf-
sachen zuständig.
29. April. Der den Cortes vorgelegte Staatshaushaltsentwurf
schätzt die Einnahmen auf 1091 und die Ausgaben auf 1049 Mil-
lionen Peseta, so daß der Ueberschuß 42 Millionen betragen würde.
2. Mai. Städtische Wahlen.
Sie finden in den größern Städten unter lebhafterer Beteiligung
statt als sonst, weil nach dem neuen Verfahren die Abgabe der Stimme
Pflicht ist. Dagegen erfolgte in vielen kleinern Orten überhaupt keine
Wahl, weil die Kandidatenzahl mit der Zahl der erledigten Sitze gleich
war. In Madrid sah man viele Geistliche, mit dem Bischof an der
Spitze, sowie Offiziere wählen. Das Ergebnis aber war: zwölf Republi-
kaner, vier Konservative, drei Ultramontane und drei Liberale. In Barce-
lona siegten die antisolidaristischen Republikaner, in Valencia ist ebenfalls
ein großer republikanischer Sieg zu verzeichnen. Dagegen erlangten in
Bilbao mit Hilfe von Stimmenkauf die Bitzcaischen Sonderbündler und
die Karlisten die Mehrheit im Stadtrat. Das Gesamtergebnis ist: 481
Liberale und Republikaner, 253 Konservative und Klerikale, 57 Regiona-
listen, 40 Unabhängige, 8 Sozialisten. Die Ruhe wurde nirgends in ernst-
licher Weise gestört.
5. Mai. (Orense.) Kundgebungen gegen den Bischof.
Als die Einwohnerschaft von Orense von der Rückkehr des Bischofs
erfuhr, den sie für die blutigen Ereignisse in Osera verantwortlich macht,
versammelte sich eine große Menge vor dem Bischofspalast und veranstaltete
dort feindliche Kundgebungen, die sich auch vor dem katholischen Vereinshaus
wiederholten. Plötzlich erschien dort ein Geistlicher am Fenster und feuerte
6 Revolverschüsse auf die Menge ab, die, dadurch aufs äußerste gereizt, Türen
und Fenster des Vereinshauses und der benachbarten Klöster zertrümmerte.
1. Juni. König Alfons stürzt beim Polospiel mit dem
Pferde und zieht sich eine leichte Fußverrenkung zu.
5. Juni. Die spanische Regierung erklärt sich bereit, die
marokkanische Sondergesandtschaft zu empfangen, wenn der
Sultan sie nach Madrid senden wolle.
12. Juni. Mit fieben gegen fünf liberale Stimmen genehmigt
der Staatsrat einen außerordentlichen Kredit von drei Millionen
Pesetas zur Verstärkung der Garnisonen in Nordafrika, wozu
im stillen alle Vorbereitungen getroffen werden.
15. Juni. Ein Dekret weist dem Kriegsminister zur Ver-
stärkung und Verproviantierung der Garnison von Me-
lilla und zur Bereithaltung von drei gemischten Brigaden einen
Kredit von 3281410 Pesetas an.